Kommentar zum Buch des Prohpeten Jeremia 11,18-20

MITTAGSGEBET | SAMSTAG DER 4. FASTENWOCHE | 28.03.20

Lesung aus dem Buch des Propheten Jeremia

18Der Herr ließ es mich wissen, und so wusste ich es; damals ließest du mich ihr Treiben durchschauen.

19Ich selbst war wie ein zutrauliches Lamm, das zum Schlachten geführt wird, und ahnte nicht, dass sie gegen mich Böses planten:

Wir wollen den Baum im Saft verderben; wir wollen ihn ausrotten aus dem Land der Lebenden, so dass man seinen Namen nicht mehr erwähnt.

20Aber der Herr der Heere richtet gerecht, er prüft Herz und Nieren. Ich werde sehen, wie du Rache an ihnen nimmst; denn dir habe ich meine Sache anvertraut.


Kommentar zur Lesung

Prophet zu sein, war zu keiner Zeit einfach - Jeremia, der große Prophet aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert,

der uns in der Fastenzeit in besonderer Weise begleitet, kann ein Lied davon singen.

Aber Jeremia singt nicht, denn es ist ihm heute nicht nach Gesang zumute.

„Nüchtern“ – oder sagen wir lieber: „ernüchtert“ beschreibt er seine Lage und macht es uns einfach, ihm zu folgen:

Er beginnt kurz und knapp mit einem Blick auf die Vergangenheit und fragt:

„Worauf stütze ich mich?“

Dann folgt der Blick in die Zukunft und die Frage:

„Worauf vertraue ich?“

Und dazwischen?

Ein Blick auf die rauhe Alltagswirklichkeit: „Sie wollen mir an den Kragen. Ich störe sie, und sie wollen mich zerstören.“

Die Lage ist ernst.

Die 3 Verse, die unsere Tageslesung umfassen, sind so etwas wie eine Art „Hängebrücke“.

Sie besteht aus zwei Pfleilern (dem 1. und dem 3. Vers) und einem Abgrund, über den sich die Brücke spannt.

Die Frage ist, ob Jeremia den Mut hat, über diese Brücke zu gehen ... oder nicht... und ob wir ihn eventuell begleiten.

Der Prophet zögert nicht für den Bruchteil einer Sekunde, und er kann es, denn die Pfeiler seiner Brücke sind tragfähig:

Da ist Jeremias Vergangenheit mit seinem Glauben an einen Gott, mit dem er offen spricht wie mit einem Freund. Das ist ein felsenfestes Fundament.

Jeremia weiß sich getragen und er erfährt Halt, auch wenn er angesichts der Turbulenzen seines Lebens eine Schwäche kennt, die ihn an den Rand des Todes führt.

Was ihn jetzt wiederum trägt, ist die Spannung, die vom zweiten Pfeiler dieser Brücke kommt, und die ihn sagen lässt:

„Herr, ich habe dir meine Sache anvertraut. Wovor sollte ich mich fürchten?“

Schwestern und Brüder, man könnte vorschnell urteilen und sagen:

„Etwas naiv, unser Jeremia.“ oder: „Zu schön, um wahr zu sein. Das Leben ist komplizierter.“

Ja, so könnte man reagieren, aber wir dürfen auch fragen: „Warum sollte ich es nicht so versuchen wie Jeremia?“

Und wenn uns das Bild mit den soliden Pfleilern einer Hängebrück über den Abgrund Angst macht

oder so gar nicht entspricht, können wir an ein anderes Bild denken, das dem Dichter Charles Péguy lieb war:

Er spricht von zwei Händen, die jemanden halten;

die eine Hand gehört dem Glauben – die andere der Liebe.

Aber in der Mitte – wie der Weg über den Abgrund – läuft noch jemand: die Hoffnung.

Diese „kleine Schwester, die Hoffnung“ reicht ihre zarten Kinderhändchen und zieht die anderen „großen Schwestern“, die Liebe und den Glauben, nach vorne.

Wohin?

Ostern entgegen. Dort, wo das Leben aus dem Tod entspringt.