Kommentar | Dienstag der 6. Osterwoche | Apg 16,22-34
MITTAGSGEBET | DIENSTAG | 19.05.20
Lesung aus der Apostelgeschichte (16,1-10)
In jenen Tagen 22erhob sich das Volk von Philippi gegen Paulus und Silas, und die obersten Beamten ließen ihnen die Kleider vom Leib reißen und befahlen, sie mit Ruten zu schlagen. 23Sie ließen ihnen viele Schläge geben und sie ins Gefängnis bringen; dem Gefängniswärter befahlen sie, sie in sicherem Gewahrsam zu halten. 24Auf diesen Befehl hin warf er sie in das innere Gefängnis und schloss zur Sicherheit ihre Füße in den Block. 25Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Loblieder; und die Gefangenen hörten ihnen zu. 26Plötzlich begann ein gewaltiges Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Mit einem Schlag sprangen die Türen auf, und allen fielen die Fesseln ab. 27Als der Gefängniswärter aufwachte und alle Türen des Gefängnisses offen sah, zog er sein Schwert, um sich zu töten; denn er meinte, die Gefangenen seien entflohen. 28Da rief Paulus laut: Tu dir nichts an! Wir sind alle noch da. 29Jener rief nach Licht, stürzte hinein und fiel Paulus und Silas zitternd zu Füßen. 30Er führte sie hinaus und sagte: Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden? 31Sie antworteten: Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus. 32Und sie verkündeten ihm und allen in seinem Haus das Wort Gottes. 33Er nahm sie in jener Nachtstunde bei sich auf, wusch ihre Striemen und ließ sich sogleich mit allen seinen Angehörigen taufen. 34Dann führte er sie in seine Wohnung hinauf, ließ ihnen den Tisch decken und war mit seinem ganzen Haus voll Freude, weil er zum Glauben an Gott gekommen war.
Kommentar zur Lesung
Ein Spannungsbogen, wie er größer wohl kaum hätte sein können - vom Quasi-Lynchmord, von Schlägen und Sicherheitsgewahrsam bis hin zu Wortverkündigung, Familientaufe und Festmahl. In ganz konzentrierter Form, hineindekliniert in die erste Jüngergeneration, ist dies wieder eine Pascha-Geschichte, eine Geschichte des unerhörten Übergangs vom Tod zum Leben, vom Unheil zum Heil, vom Dunkel zum frohen Licht.
Und wieder ist es die Mitte der Nacht - in der sich doch das Dunkel scheinbar so hoffnungslos verdichtet - die zur Einbruchstelle des unerhört wunderbaren Heiles Gottes wird.
"Inmitten der Nacht ertönt ein lautes Rufen: Seht, es kommt der Bräutigam! Geht, eilt ihm entgegen!", singen die Lieder in der Osternacht.
In dieser österlichen Gefängnisgeschichte wird allerdings an keiner Stelle gesagt, dass der auferstandene Herr den gefangenen Aposteln erschienen sei und helfend eingegriffen habe. Aber er ist so machtvoll im Lobpreis der Jünger gegenwärtig, dass keine Sicherheitsvorkehrung mehr greift, dass das entfesselte Gebet die Grundmauern wanken lässt und die Tore neu zum Leben öffnet.
Schwestern und Brüder, über die Jahrhunderte hinweg hat auch heute für uns der Lobpreis nichts von seiner befreienden Kraft verloren.
Wer Gott lobpreist, wird unmerklich hinausgeführt aus seiner eigenen Herzensenge und hineingeführt in die unendliche Weite seiner Auferstehung.
Wer Gott lobpreist, bleibt nicht länger gefangen in seinem eigenen Ich und seiner permanenten Selbstbeschäftigung, sondern verlagert seinen Schwerpunkt in Ihn, von dem alle Freude und alles Leben kommt.
Wer Gott lobpreist, hat plötzlich etwas so frohmachend Anziehendes, dass andere heimlich auf den Gottesgeschmack kommen. So schenke uns der Herr in dieser nachösterlichen und vorpfingstlichen Zeit, uns neu in das Lobgebet einzuüben. Oder besser: ihn selbst in uns den Lobpreis wie eine Quelle freizulegen. Denn seit unserer Taufe betet der Geist in uns!
Gelobt, gepriesen sei Er in Ewigkeit und heute und hier und jetzt.
Amen. Amen. Halleluja!