Kommentar | Donnerstag der 23. Wo. im JK | 1 Kor 8,1-7b.11-13

MITTAGSGEBET | DONNERSTAG | 10.09.20

Lesung aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther

Schwestern und Brüder!

1bDie Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe dagegen baut auf.

2Wenn einer meint, er sei zur Erkenntnis gelangt, hat er noch nicht so erkannt, wie man erkennen muss.

3Wer aber Gott liebt, der ist von ihm erkannt.

4Was nun das Essen von Götzenopferfleisch angeht, so wissen wir, dass es keine Götzen gibt in der Welt und keinen Gott außer dem einen.

5Und selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde so genannte Götter gibt - und solche Götter und Herren gibt es viele -,

6so haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn.

7Aber nicht alle haben die Erkenntnis. Einige, die von ihren Götzen nicht loskommen, essen das Fleisch noch als Götzenopferfleisch, und so wird ihr schwaches Gewissen befleckt.

11Der Schwache geht an deiner «Erkenntnis» zugrunde, er, dein Bruder, für den Christus gestorben ist.

12Wenn ihr euch auf diese Weise gegen eure Brüder versündigt und ihr schwaches Gewissen verletzt, versündigt ihr euch gegen Christus.

13Wenn darum eine Speise meinem Bruder zum Anstoß wird, will ich überhaupt kein Fleisch mehr essen, um meinem Bruder keinen Anstoß zu geben.

Kommentar zur Lesung

Die Frage nach dem Umgang mit Götzenopferfleisch steht uns heute wahrlich fern, doch lag sie Paulus so sehr am Herzen, dass er ihr drei Kapitel seines Briefes widmete.

Den Beginn seiner Darlegung haben wir gerade gehört. Wenn dieses Thema uns auch nicht weiter anspricht, so dürfte die eigentliche Frage dahinter es umso mehr tun, denn wir könnten sie so formulieren:

„Wie gehst du mit deiner inneren Freiheit um, die du dir durch deine Erfahrungen, deine Erkenntnisse in deinem Leben erworben hast?“

Individuelle Freiheit ist gewiss eines der Schlagworte unserer Zeit. In Korinth zur Zeit des Paulus lautete offensichtlich eine Antwort aus der Gemeinde: „Ich habe das Richtige erkannt, also darf ich alles tun, was dazu passt.“

Paulus stellt die Richtigkeit des Erkennens nicht in Frage, aber macht ebenso deutlich: meine persönliche Freiheit bringt auch eine Verantwortung mit, weil ich nicht allein auf dieser Welt, in meinem Glauben und in der Art, diesen Glauben mit Leben zu füllen, unterwegs bin. Jeder hat auf dem Weg sein eigenes Tempo und so darf es sein! Diejenigen, die einfach ein wenig mehr Zeit brauchen, nennt Paulus die Schwachen in der Gemeinde.

Ich mag sagen: es sind Menschen, die noch ein Stück des Weges vor sich haben, den ich schon gehen konnte und durfte.

Was schlägt Paulus nun vor, um mit einem erworbenen Freiheitsvorsprung umzugehen?

Er stellt provokativ die Frage, ob es mir wirklich einen Zacken aus der Krone bricht, mich an die Seite desjenigen zu stellen, der wohl schon unterwegs, aber noch ein Stück hinter mir zurück ist. Auch im Wissen, dass neben einer gefundenen inneren Freiheit auch für mich noch Wege aus Unfreiheiten bleiben. Denn die sogenannten Götter und Herren in der Welt gibt es ja auch heute noch unzählig. Und sie alle verfolgen dasselbe Ziel: uns ganz an sich zu binden, damit wir nur noch um sie kreisen. Zu glauben, dass eine gefundene innere Freiheit bereits die volle Erkenntnis sei, bringt uns von Paulus nur das Attribut „aufgeblasen“ ein.

Wer sich zu Christus zugehörig fühlt, kann seine Möglichkeiten nicht kalt und selbstbezogen ausleben, ohne die ihm von Gott geschenkte Liebe zu verraten. Dennoch darf und soll ich aus der inneren Freiheit leben, die ich auf meinem Glaubensweg erreichen durfte. Es mag paradox klingen, aber gerade sie ist es ja, die mir erlaubt, die momentane Grenze eines Weggefährten zur selbstgewählten Grenze meiner Möglichkeiten zu machen. Damit ich für ihn nicht nur nicht zum Hindernis auf seinem Weg werde, sondern im besten Fall zu einer Wegbegleitung, zu jemandem, der mitgeht, mitträgt aus dem tiefen Wissen heraus, dass das erhoffte Ziel erreichbar und lohnenswert ist; ohne dem anderen das eigene Gehen abnehmen zu wollen.

Denn noch so kluge und richtige Worte können die tragende Kraft selbstdurchlebter Erkenntnis nicht ersetzen. Auch da im Wissen: dieser Weg in und zur Freiheit kennt keine klaren Spielregeln, sondern braucht ein offenes Herz für die jeweilige Situation, damit die so gelebte Liebe wirklich aufbaut.