Kommentar | Donnerstag der 7. Osterwoche | Apg 22,30...23,11

MITTAGSGEBET | DONNERSTAG | 28.05.20

Lesung aus der Apostelgeschichte (20,17-27)

In jenen Tagen 30als der römische Oberst genau wissen wollte, was die Juden Paulus vorwarfen, ließ er ihn aus dem Gefängnis holen und befahl, die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat sollten sich versammeln. Und er ließ Paulus hinunterführen und ihnen gegenüberstellen.

6Da Paulus aber wusste, dass der eine Teil zu den Sadduzäern, der andere zu den Pharisäern gehörte, rief er vor dem Hohen Rat aus: Brüder, ich bin Pharisäer und ein Sohn von Pharisäern; wegen der Hoffnung und wegen der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht.

7Als er das sagte, brach ein Streit zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern aus, und die Versammlung spaltete sich.

8Die Sadduzäer behaupten nämlich, es gebe weder eine Auferstehung noch Engel noch Geister, die Pharisäer dagegen bekennen sich zu all dem.

9Es erhob sich ein lautes Geschrei, und einige Schriftgelehrte aus dem Kreis der Pharisäer standen auf und verfochten ihre Ansicht. Sie sagten: Wir finden nichts Schlimmes an diesem Menschen. Vielleicht hat doch ein Geist oder ein Engel zu ihm gesprochen.

10Als der Streit heftiger wurde, befürchtete der Oberst, sie könnten Paulus zerreißen. Daher ließ er die Wachtruppe herabkommen, ihn mit Gewalt aus ihrer Mitte herausholen und in die Kaserne bringen.

11In der folgenden Nacht aber trat der Herr zu Paulus und sagte: Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem meine Sache bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen.

Kommentar zur Lesung

Welches Zeugnis soll Paulus in Rom ablegen?

Wenn man nur diesen einen Ausschnitt der Apostelgeschichte liest, könnte man meinen, dass das Zeugnis des Paulus eher eines der menschlichen Klugheit, um nicht zu sagen, der Manipulation ist.

Im heutigen Auszug steht Paulus immer noch vor Gericht vor dem römischen Oberst in Jerusalem. Jener will genau wissen, welche Vorwürfe gegen Paulus erhoben werden und ließ den Hohen Rat der Juden zu diesem Zweck kommen.

Aber Paulus spielt dies zu seinem Vorteil aus und verursacht sofort einen Streit zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern über die Existenz von Engeln, Geistern und die Auferstehung der Toten.

Das Feuer lodert auf und Paulus muss aus dem Getümmel heraus-gezogen werden. In der Nacht trat der Herr zu Paulus und sagte: Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem meine Sache bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen.

Es ist nicht immer einfach, die Bibel zu lesen und die mundgerechten Portionen, die die Liturgie uns anbietet, machen sie nicht immer besonders leicht bekömmlich. Gehen wir zusammen einen Schritt zurück, um den Kontext zu betrachten.

Paulus ist, ähnlich seinem Meister, auf dem Weg nach Jerusalem.

Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe, ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten, hat er in seinem letzten Brief an Timotheus geschrieben. Paulus hatte zwar vor, nach Rom zu reisen, doch als freier Mensch, nicht als Gefangener. Aber für Paulus sind die Bedingungen Nebensache. Sobald er ankommt, wird er festgenommen. Paulus verteidigt sich ein erstes Mal vor den Juden in Jerusalem, wir kennen die Zeugnisrede, die wir zu seinem Fest lesen. Das Volk hört zu, bis zu seiner Mitteilung, dass der Herr ihn in die Ferne schickt, zu den Heiden.

Die Aussage ist dem Volk unverträglich: Weg mit so einem Menschen, schrien sie. Paulus weiß, dass man bei verstockten Herzen manchmal nicht weiterkommen kann und weiß auch um das große Erbarmen Gottes, wie er in seinem Brief an die Römer schreibt: Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt. Diese Verstocktheit schmerzt ihn sehr, aber wie Jesus kann Paulus auch sagen: ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Nicht um zu zerstören oder zu vernichten, sondern um zu scheiden, wie das Licht von der Finsternis und das Wasser vom Trockenen, wie bei der Schöpfung, um das Leben zu ermöglichen. Wie ein Schwert, das Leben von Tod, Heil von Sünde, Gnade von Ungehorsam, Wahrheit von Lüge scheidet.

Die heutige Lesung bekommt so ein neues Licht. Paulus bringt durch seine Rede vor dem Hohen Rat das Schwert, um ihnen ihre innere Spaltung zu zeigen, um ihnen eine neue Chance zu geben, sich zu ent-scheiden für Christus, ein Wort, das etymologisch gesehen bedeutet, ein Schwert aus der Scheide zu ziehen. Aber als Paulus merkt, dass diese Zeit der Entscheidung noch nicht reif ist, bleibt er seiner Mission treu, Apostel der Heiden zu sein.

Das irdische Leben Christi endete in Jerusalem. Paulus macht weiter, um in Rom Zeugnis abzulegen. Sein Ziel, das Ziel des Evangeliums, ist das Ende der Welt. Vielleicht wird er nicht so weit kommen, vielleicht ist sein Lauf nicht ohne einen Hauch von Arroganz, immerhin ist sein Lauf nicht vergeblich, denn das Wort, ein zweischneidiges Schwert, ist Jesus selber, und es kehrt nicht leer zurück, sondern bewirkt alles, wozu es ausgesandt wurde.