Kommentar | Erste Vesper zum 26. So. im JK | Am 6,1a.4-7

ERSTE VESPER ZUM SONNTAG AM VORABEND SAMSTAG | 17.09.22

Lesung aus dem Buch Am 6,1a.4-7


KOMMENTAR (Sr. Edith FMJ)

Manchmal muss es krachen. Schluss mit lustig. Es reicht; das Maß ist voll!

Morgen, im Sonntagsgottesdienst, werden wir in allen Kirchen diese zornige Lesung hören. Und vielleicht etwas ratlos davor zurück-bleiben. Ja, was soll das jetzt für eine Ansage sein? Ein großes Prophetenwort als … kleinlicher Spaßverderber? Oder vielleicht, ganz menschlich, nur ein heimliches Neidgefühl im Herzen des Amos, der ja ursprünglich ein luxusloser Kleinbauer und einfacher Maulbeerfeigenzüchter war?

Und schließlich wir heute: Soll uns in diesen sowieso schon sorgevollen Zeiten jetzt auch noch das bisschen Feiern und Entspannen verboten sein?!

*

Alles Leben geschieht nicht in einer Blase, sondern in einem Kontext. Der des Amos im 8. Jh. v. Chr. war ein schillernder und eindeutig korrupter Kontext. Ob im Südreich Juda oder im Nord-reich Israel, ob auf dem Berg Zion oder auf den Bergen von Samaria – boomender Wohlstand und Ausschweifung bei den Eliten der Herrschenden, arrogante Heilssicherheit in der Oberschicht der Berufsfrommen, aber lähmende Resignation, Rechtsunsicherheit und völlige Verarmung bei den Schwachen und Hilflosen, die wie ein paar Sandalen gekauft und dann verschleudert wurden (Am 8,6).

Nicht das Wohlergehen, nicht die lebensberührte Freude sind das Problem, sondern – so heißt es wörtlich im Text – das Herumhängen in einer feisten Feierlaune auf Kosten anderer; das exzessive Leben, das sich aus der Verantwortung für andere stiehlt und „das Recht in Gift verwandelt“ (Am 6,12); eine komische Sorglosigkeit, die Gott und Menschen vergisst und so das Volk Schritt für Schritt in den Untergang führt.

Amos ist nicht schlechtgelaunt. Er ist wach und widerständig und zieht die Reißleine. Und wo er einem Unheilspropheten zum Ver-wechseln ähnlich sieht, bildet er mit seiner zornigen Prophezeiung doch nur ab, was bis heute so verstörend wahr bleibt:

Die Abwanderung von Gott führt nicht ins Leben.

Sie führt ins Exil, und wenn es nicht unbedingt die äußere Fremde ist, so doch die innere Entfremdung von den Quellen des Lebens.

Und schnell, sehr schnell profitieren dann andere Ansprüche und Mächte von dieser Heimatlosigkeit und besetzen die leergewordene Mitte.

Doch geschieht gerade in uns selbst, in unserer innersten Mitte, das Leben Gottes. Da werden wir wirklich wir selbst, da strömt unser Leben hervor aus dem Geheimnis Gottes. Da wird das Negative und Bedrohliche überboten und von innen her entmachtet (vgl. A. Delp).

Ja, wir wissen nicht erst seit diesen Tagen, dass das Fest der Herumhängenden vorbei ist.

Aber nichts und niemand kann uns die Hoffnung nehmen, dass Gott uns ein Fest bereitet, bei dem uns der Wein nicht ausgehen wird (vgl. Joh 2).

Nicht irgendwann einmal, in ferner Zukunft. Sondern schon hier und jetzt.

Denn „in allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort. Dann wird das Leben frei in der Freiheit, die wir oft gesucht haben“ (A. Delp).