Kommentar am Fest der heiligen Thérèse von Lisieux |

Jesaja 66

MITTAGSGEBET | Freitag | 01.10.21

Lesung aus dem Buch Jesaja

10Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart.

11Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!

12Denn so spricht der Herr: Seht her: Wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und den Reichtum der Völker wie einen rauschenden Bach. Ihre Kinder wird man auf den Armen tragen und auf den Knien schaukeln.

13Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.

14abcWenn ihr das seht, wird euer Herz sich freuen, und ihr werdet aufblühen wie frisches Gras. So offenbart sich die Hand des Herrn an seinen Knechten.

KOMMENTAR | Sr. Katharina FMJ

Wie hat sie das gemacht möchte man fragen… Wie ist diese Frau, die nie über ihren Geburtsort hinauskam, zur großen Heiligen, zur Patronin der Weltmission geworden? Ohne große Weltliteratur zu hinterlassen, ist sie Kirchenlehrerin geworden - wenngleich die Welt ihre „Geschichte einer Seele“ vielleicht mehr kennt, als die Schriften der großen Theologen.

1873 wurde sie als jüngstes von neun Kindern in Alencon in der Normandie geboren. Sie folgte seit Kindertagen eifrig ihrem Wunsch eines Tages im klausurierten Karmel zu leben, der ihr zur Wirkstätte wurde, um eine der beliebtesten Heiligen der Welt zu werden. Doch ihre Geschichte der Seele zeigt, wie sehr sie in ihrer Christusnachfolge und dem Gemeinschaftsleben durch Prüfungen und rein menschliche Erfahrungen hindurchgewachsen ist.

Was hat sie anders gemacht, als andere? Ja, was ist ihr Geheimnis? Sicher die Liebe, die immer ein Geheimnis bleibt, weil sie Gottes Werk an uns ist.

Was mich an ihrem kurzen, nicht einfach greifbaren Leben fasziniert, ist ihre Himmelsliebe, ihre Art ihr Vertrauen in Gottes Hände zu legen. Wenn man es aus der manches mal etwas blumigen Sprache und Spiritualität des 19. Jahrhunderts herauspellt, dann fällt es uns vielleicht leichter bei ihr in die Schule gehen. In die Schule genau der Frage, die wir gerade schon gehört haben:

Wieviel Erde braucht der Glaube? Er braucht die Erde aber er braucht ebenso den Himmel. Wie finden wir da ein gutes Gleichgewicht?

Ich erfreute mich damals eines so lebendigen, so klaren Glaubens, dass der Gedanke an den Himmel mein ganzes Glück ausmachte (C 219), schreibt sie in ihrer Autobiographie.

Doch während Thérèse gerade in ihrem Fahrstuhl ganz angenehm zum Himmel hinauffährt, gibt es einen Stromausfall: sie weiß nicht mehr, wo sie sich befindet, wie lange es dauern wird, ob Hilfe kommen wird. Als sie am Ende ihres Lebens an Tuberkulose erkrankt erfährt sie, wie ihr Grund und Boden wegrutschen, mit leeren Händen bricht die dunkle Nacht über sie herein. Die realistische kleine Denkerin in ihr ist sich dessen bewusst: die Tuberkulose, ist das Ende, bald wird mein Körper in der Erde sein und meine Seele im Himmel. Doch dann bricht der beißende Gedanke über sie hinein… Was wenn es keinen Himmel gibt? Jesus ließ zu, dass tiefste Nacht in meine Seele eindrang und der mir so süße Gedanke an den Himmel nur mehr ein Anlass zu Kampf und Qual war (C 219).

Warum also bleibt sie dann überzeugt davon, dass der Himmel nicht eine Projektion unserer großen Wünsche ist? Allein Jesu wegen! Der Himmel, schreibt Thérèse, ist keine von Menschen erfundene Geschichte, sondern eine untrügliche Wirklichkeit, die Jesus in Seiner Guten Nachricht verkündet hat. (C 220).

In dieser Nacht, von der nackten, erdhaften Realität des Todes umgeben, hält sie ihre leeren Hände aus. „Doch wer alles gibt, hat die Hände frei…“ (Andreas Knapp)

Und es ist Jesu Hand, die sie hält, die ihre Hand ergreift und sie durchträgt. Wenn der Himmel sich durch den aus der Erde aufsteigenden Nebel bis zum spürbaren Nichts verdunkelt, bleibt allein der nackte Glaube.

Dieser Glaube, nach dem sie sich noch in ihrem Unglauben sehnte, lies sie sehen, was der Himmel ist: Ich sehe nicht recht, was ich nach dem Tod noch über das hinaus bekommen sollte, was ich schon in diesem Leben habe. Ich werde den lieben Gott sehen, das ist wahr! Aber mit Ihm vereinigt, das bin ich schon vollkommen auf dieser Erde (IGL 45).