Kommentar zum Hebräerbrief 10,4-10
MITTAGSGEBET | VERKÜNDIGUNG DES HERRN | 25.03.20
Lesung aus dem Hebräerbrief 10,4-10
Schwestern und Brüder!
4Das Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich Sünden wegnehmen. 5Darum spricht er bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir bereitet; 6an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. 7Da sagte ich: Siehe, ich komme – so steht es über mich in der Schriftrolle –, um deinen Willen, Gott, zu tun.
8Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; 9dann aber hat er gesagt: Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun. Er hebt das Erste auf, um das Zweite in Kraft zu setzen. 10Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi geheiligt – ein für alle Mal.
Kommentar zur Lesung
Das Foto des Lochner-Altares im Kölner Dom finden Sie HIER.
An der Mauer hängt ein Goldvorhang mit Blumenmuster. Es stehen in diesem kleinen Zimmer ein paar Möbel: ein kunsthandwerklicher Gebetstisch in Holz und eine Holzbank bedeckt mit einem gold- und blau-bestickten Kissen.
Vor dem Tisch kniet eine junge Frau, die vor ihrem geöffneten Gebetbuch betet. Gegenüber: ein Engel, dessen Flügel zu groß für solch ein kleinen Raum zu sein scheinen. In der Hand hält er einen gesiegelten Brief, der an die Jungfrau gerichtet ist… „Sei gegrüßt Maria, du Begnadete, der Herr ist mit Dir…“
Vielleicht haben Sie schon den Lochner-Altar im Kölner Dom erkannt, der auf seiner äußeren Seite die Verkündigung des Herrn darstellt. Lasst uns ihn weiter betrachten…
Zwei andere Personen sind diskreter abgebildet: die erste ist die Taube des Heiligen Geistes, die über dem Kopf Marias schwebt. Die zweite ist fast unbemerkbar: Gott, der Vater, der sich gegenwärtig macht auf der Schließe des Engelschormantels.
Hier passiert etwas Besonderes; das Geheimnis findet statt, und es geschieht zwischen den vier Personen…
Stefan Lochner hat es so gemalt: in den Alltag eines Zimmers des fünfzehnten Jahrhunderts. Hier wird nur gebetet. Keine „Schlacht- und Speiseopfer“, keine „Brand- und Sündopfer“, denn daran hat Gott kein Gefallen. Hier kommt Gott in der Demut einer Taube, in der Kleinheit und Unbemerkbarkeit einer Mantelschließe. Und die Einfachheit des Alltags Marias, die Einfachheit ihres normalen Lebens gefällt Ihm.
Es gibt hier Raum für Maria. Deshalb kann sie Gott antworten: „Du hast mir einen Leib geschaffen“. „Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.“
Und diese zerbrechliche Antwort ist auch auf dem Gemälde: genau in die Mitte der vier Personen wurde eine Vase mit einer Lilie gestellt. Auf der Vase in goldenen Buchstaben: ecce ancilla domini (siehe ich bin die Magd des Herrn).
Die Vase selbst zeigt uns, dass diese Worte nicht so einfach sind. Die Vase steht ganz am Rand der Bank und ein Teil ihres Fußes steht im Leeren. Irgendwann kann die Angst, der Zweifel sie umkippen lassen, und das Wort würde zerbrechen.
Angst und Zweifel könnte Maria haben, aber das Vertrauen und die Gegenwart Gottes sind wie ein Gegengewicht. Angst können wir haben, aber das Vertrauen und die Gegenwart Gottes dürfen wir nicht vergessen.
Brüder und Schwestern, wir leben einer Zeit, in der wir viel zu Hause bleiben müssen. Es gibt aber keinen blumengemusterten Goldvorhang an unseren Mauern, kein fünf Jahrhunderte altes handgearbeitetes Holzmobiliar, vielleicht auch keine Lilie, denn zurzeit sind alle Blumengeschäfte zu …
Aber wenn Sie Ihren Innenraum genau angucken, probieren Sie mal – mit den Augen Ihres Herzens – den Engel zu erkennen. Er ist bestimmt da, auch wenn seine Flügel zu groß für Ihr Zimmer sind!
Wie für Maria bringt er eine Botschaft der Hoffnung: die Zuversicht, dass Gott – auch wenn so klein wie die Taube oder so unbemerkbar wie Gott auf der Mantelschließe –, dass Gott in unserer Welt zu uns kommt, dass Gott jedenfalls in unserer Welt mit uns und unter uns ist.
Ja, Bruder, Schwester, sei gegrüßt, der Herr ist mit dir!