Kommentar | Samstag der 15. Wo. im JK II | Mi 2, 1-5

MITTAGSGEBET | SAMSTAG | 15.07.20

Lesung aus dem Buch Micha

1Weh denen, die auf ihrem Lager Unheil planen und Böses ersinnen. Wenn es Tag wird, führen sie es aus; denn sie haben die Macht dazu. 2Sie wollen Felder haben und reißen sie an sich, sie wollen Häuser haben und bringen sie in ihren Besitz. Sie wenden Gewalt an gegen den Mann und sein Haus, gegen den Besitzer und sein Eigentum. 3Darum - so spricht der Herr: Seht, ich plane Unheil gegen diese Sippe. Dann könnt ihr den Hals nicht mehr aus der Schlinge ziehen, und ihr werdet den Kopf nicht mehr so hoch tragen; denn es wird eine böse Zeit sein. 4An jenem Tag singt man ein Spottlied auf euch, und es ertönt die Klage: Vernichtet sind wir, vernichtet! Den Besitz seines Volkes veräußert der Herr, und niemand gibt ihn zurück; an Treulose verteilt er unsere Felder. 5Darum wird in der Gemeinde des Herrn keiner mehr sein, der euch einen Acker zuteilt mit der Messschnur.

Kommentar zur Lesung

Das hat uns gerade noch gefehlt. Ein Wehe-Ruf!

Wo wir doch alle seit Wochen und Monaten so ein schleichendes Gefühl der Ohnmacht mit uns herumtragen; eine Situation, die wir weder persönlich noch gesellschaftlich, geschweige denn weltweit in den Griff kriegen. Wo uns die täglichen Nachrichten vom Segen und Fluch der Macht der Mächtigen berichten – wer kann sich da noch zurechtfinden?

Es ist Ferienzeit, das Wetter ist wunderbar, und wir hätten jetzt gerne mal eine frohe Botschaft!

Aber nun fällt an diesem sonnigen Mittag, scheinbar völlig zusammenhanglos, dieser Prophetentext in unser Mittagsgebet hinein - ganz einfach, weil es die heutige Tageslesung ist. Da steht so ziemlich alles drin, was wir gerade jetzt nicht zwingend hören möchten. Da steht tatsächlich: Es wird eine böse Zeit sein.

Hört sich vielversprechend an!

*

Sommer hin oder her, Propheten sind Menschen, die die Wirklichkeit nicht einfach ausblenden, sondern deren klarer Blick bis in die Tiefe reicht, in der sich Gott und Mensch berühren - oder auch voneinander entfernen.

Micha lebte gegen Ende des 8. Jh. v. Chr. Er war Prophet in einer dunklen, bedrängten Zeit. Wo es einem eng ums Herz werden konnte.

Er stammte aus einem Dorf im judäischen Hügelland, wir würden heute sagen: irgendwo zwischen der West Bank und dem Gaza-Streifen. Das war schon immer ein Konfliktgebiet. Da ist schon immer um die Macht gerungen worden. Und da sind schon immer Menschen unter die Räder gekommen.

Die Situation seiner Zeit analysierte er hellsichtig und nannte das Unrecht schonungslos beim Namen: Tödliche Gewalt, Korruption, brutale Machtgier und dazu arrogante Heilssicherheit auf der einen Seite, lähmende Resignation, ohnmächtige Verzweiflung, Zerstörung der Lebensordnung und völlige Verarmung auf der anderen.

Micha wusste: Wer das Recht bricht, der bricht mit Gott. Und wer mit Gott bricht, verliert seine Zukunft. So kündigte er das Gericht an: Ja, Gott zieht die scheinbar allmächtigen Täter zur Verantwortung! Denn wer so lebt, der lässt die zerstörerische Macht des Bösen wirksam werden und gibt ihm weiten Raum! Der verliert letztlich auch seine eigene Identität.

Was wir mühelos auf die weltpolitische Lage übertragen können, lässt sich als Spurenelemente auch in unseren eigenen Erfahrungen finden. Kein Leben ist ohne Bedrängnis und ohne Brüche, kein Leben schuld- und krisenlos. Oft sind wir da ohnmächtig und wie gelähmt.

Vielleicht lädt uns heute der Prophet Micha ein, nicht in dieser Resignation steckenzubleiben. Vielmehr die Blickrichtung zu ändern.

Denn in der Krise, wie sie auch aussehen mag, ist es im Letzten Gott, der an uns handelt.

Ist Er es, der genau diese bedrängende Situation zum Ort einer neuen Begegnung mit Ihm machen will. Wir können uns für einen inneren Führungswechsel entscheiden: Führe DU mich, Herr! Deine Macht ist Segen und ist Leben.

Ja, „die Welt besteht aus Gegensätzen … Letzten Endes wird nichts von diesen Kontrasten übrigbleiben. Nur die große Liebe wird bestehen bleiben. Wie könnte es auch anders sein?“ (E. Stein, August 1942, Lager Westerbork).

Und das ist definitiv eine gute Nachricht, auch für die Ferien ...