Kommentar | Samstag der 22. Wo. im Jahreskreis II | 2 Kor 4,7-15
MITTAGSGEBET | SAMSTAG | 05.09.20
Lesung aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther
Brüder, lernt an mir und an Apollos, dass der Grundsatz gilt: «Nicht über das hinaus, was in der Schrift steht», dass also keiner zugunsten des einen und zum Nachteil des andern sich wichtig machen darf.
7Denn wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?
8Ihr seid schon satt, ihr seid schon reich geworden, ohne uns seid ihr zur Herrschaft gelangt. Wäret ihr doch nur zur Herrschaft gelangt! Dann könnten auch wir mit euch zusammen herrschen.
9Ich glaube nämlich, Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt, wie Todgeweihte; denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und Menschen.
10Wir stehen als Toren da um Christi willen, ihr dagegen seid kluge Leute in Christus. Wir sind schwach, ihr seid stark; ihr seid angesehen, wir sind verachtet.
11Bis zur Stunde hungern und dürsten wir, gehen in Lumpen, werden mit Fäusten geschlagen und sind heimatlos.
12Wir plagen uns ab und arbeiten mit eigenen Händen; wir werden beschimpft und segnen; wir werden verfolgt und halten stand;
13wir werden geschmäht und trösten. Wir sind sozusagen der Abschaum der Welt geworden, verstoßen von allen bis heute.
14Nicht um euch bloßzustellen, schreibe ich das, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen.
15Hättet ihr nämlich auch ungezählte Erzieher in Christus, so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden.
Kommentar zur Lesung
„Als Toren stehen wir da.“
Was Paulus über sich und die anderen Apostel sagt und wie einen Spiegel der kleinen Gemeinde in Korinth vorhält, ist sozusagen – sollten wir es etwa vergessen haben? – der Normalzustand der Kirche.
„Als Toren stehen wir da.“
Das war damals und ist heute sicherlich unbequem und unangenehm und manchmal vielleicht auch ein bisschen peinlich.
Aber tödlich ist es nur, wenn der Zusatz fehlt: „um Christi willen“.
*
Da wiegte sich die kleine Gemeinde in Korinth doch tatsächlich in erstaunlicher Sicherheit: Sie sei schon satt und sei schon reich und klug und stark und angesehen und sei zur Herrschaft gelangt mit dem ganzen Gewicht ihrer mächtigen Sattheit und machtvollen Klugheit.
Und in dem immer wieder verlockenden Griff nach all dem … vergaß sie zweierlei:
- dass dies alles letztlich nur Gabe und unverdientes Geschenk Gottes sein kann und
- dass das Koordinatenkreuz dessen, was taugt, was hält und mit dem letztlich alles steht und fällt, für Christen doch nur das Kreuz Jesu Christi ist, ja, Gott selbst ist, „der arm geworden ist, um uns durch seine Armut reich zu machen“ (2Kor 8,9).
*
Vielleicht ist diese Vergesslichkeit der Korinther uns weniger fremd, als wir spontan meinen könnten. Auch für uns gilt:
Wenn wir in dem, was unbezahlbar ist, immer ärmer werden, „erkranken wir an Allmacht“ (A. Riccardi) und stehen da als Toren, ohne Christus.
Aber wenn wir - wenn auch vielleicht mit dem Gefühl, „zum Schauspiel für die Welt, für Engel und Menschen geworden“ zu sein -, wenn wir es jeden Tag neu wagen, uns von Ihm her zu empfangen,
mit einem dankbaren Herzen,
mit einem wachen Blick für seine diskreten Spuren,
mit einem offenen Ohr für seinen leisen Ruf,
dann können wir segnen, standhalten, andere trösten.
Und es wird auf wunderbare Weise seine Gnade sein, die ihre Kraft in unserer Schwachheit erweist (2Kor 12,9).