Kommentar | Samstag - Unsere Liebe Frau von Jerusalem |

Sach 2,14-17

MITTAGSGEBET | Samstag | 21.11.20

Lesung aus dem Buch Sacharja (2,14-17)

14Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte - Spruch des Herrn.

15An jenem Tag werden sich viele Völker dem Herrn anschließen, und sie werden mein Volk sein, und ich werde in deiner Mitte wohnen. Dann wirst du erkennen, dass der Herr der Heere mich zu dir gesandt hat.

16Der Herr aber wird Juda in Besitz nehmen; es wird sein Anteil im Heiligen Land sein. Und er wird Jerusalem wieder auserwählen.

17Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn. Denn er tritt hervor aus seiner heiligen Wohnung.

KOMMENTAR (Sr. Edith FMJ)

Zwischen das Allerheiligenfest voller Himmelsleuchten und die Adventszeit, die bald aus der Erde ein Reis hervorsprießen sieht, schiebt sich heute in den Festkalender der Kirche, wie jedes Jahr am 21. November, der kleine, ganz unscheinbare Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem.

Diese Diskretion ist verständlich, denn der Anlass des Festes wird in der Heiligen Schrift gar nicht erwähnt. Aber die Kirche des Ostens hat seit dem 6. Jh. immer im Herzen und in ihrer Liturgie lebendig gehalten, was eine sehr frühe christliche Schrift erzählt: Die Eltern Anna und Joachim hätten das Kind Maria im Tempel von Jerusalem dem Herrn dargebracht.

Wenn wir jetzt für einen Moment die Augen schließen, um zu sehen - so malen es die alten Mosaiken aus -, wie Maria, dieses junge Mädchen mit dem unauslotbaren Herzen, gerade die Stufen des Tempels hinaufläuft, um Gott geweiht zu werden, dann können wir vielleicht zwei Gedanken mit in unseren Tag hineinnehmen. Einen im Blick auf Maria, einen im Blick auf uns selbst und die anderen.

Maria können wir nur verstehen, wenn wir sie in ihrer Freiheit und unsagbar liebenden Offenheit für Gott sehen:

Das Kostbarste, was sie besitzt, schenkt sie Gott - sich selbst, das Heiligtum ihres eigenen Leibes, diesen Teil der Menschheit, der ihr so ganz und gar gehört und von dem eines Tages ein JA aufsteigen wird:

ihr eigenes, freies, großes JA, das den Erlöser ein für alle Mal auf Erden willkommen heißt, dieses JA, das sie niemals zurückgenommen hat und durch das Gott zu uns kommen und in unserer Mitte wohnen konnte. Maria läuft nicht nur zum Tempel hinauf, sie wird selbst zum Tempel Gottes. Sie umfängt den, der alles umfängt.

Und das ist dann auch der zweite Blick, der mit dem ersten untrennbar verbunden ist: Seitdem das geschehen ist, kann Gott mir, uns, jedem Menschen immer wieder sein großes Ja sagen:

Ja, ich komme und wohne in deiner Mitte!

Ja, du sollst selbst zu einer Wohnung Gottes werden!

Ja, ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Zeiten!

Und so wird Maria, dieses Kind, das heute so freudig zum Tempel hinaufläuft, wie zu einem Spiegel meines und unseres Lebens: Gott ist da und ist die Mitte – vielleicht verdeckt hinter manchen Fehlern und Schwächen, verborgen hinter der Karikatur, die die ständigen Urteile und Reduktionen anderer von uns machen. Was bleibt und unantastbar schön bleibt, ist das Wunder und die Spur Gottes in jedem Menschen.


Vielleicht will Maria uns heute einfach nur sagen:

Du darfst dich in diese Gewissheit fallen lassen.

Du darfst alles und jeden und jede und noch dich selbst in Gott geborgen sein lassen.

Und dann, so von Ihm umfangen und geborgen, dich auf-machen, die Stufen des Tempels hinuntersteigen, um das Unerwartete im Herzen der anderen zu finden, um jeden Menschen in Gott zu finden und Gott in jedem Menschen. Denn das ist heute, inmitten dieser erschütterten Welt, sein Anteil im Heiligen Land.