Kommentar am Samstag der 27. Woche im Jahreskreis |

Joel 4, 12-21

MITTAGSGEBET | SAMSTAG | 09.10.21

Lesung aus dem Buch Joel 4,12-21

So spricht der Herr:

12Die Völker sollen aufbrechen und heraufziehen zum Tal Joschafat. Denn dort will ich zu Gericht sitzen über alle Völker ringsum.

13Schwingt die Sichel; denn die Ernte ist reif. Kommt, tretet die Kelter; denn sie ist voll, die Tröge fließen über. Denn ihre Bosheit ist groß.

14Getöse und Getümmel herrscht im Tal der Entscheidung; denn der Tag des Herrn ist nahe im Tal der Entscheidung.

15Sonne und Mond verfinstern sich, die Sterne halten ihr Licht zurück.

16Der Herr brüllt vom Zion her, aus Jerusalem dröhnt seine Stimme, so dass Himmel und Erde erbeben. Doch für sein Volk ist der Herr eine Zuflucht, er ist eine Burg für Israels Söhne.

17Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin und dass ich auf dem Zion wohne, meinem heiligen Berg. Jerusalem wird heilig sein, Fremde werden nie mehr hindurchziehen.

18An jenem Tag triefen die Berge von Wein, die Hügel fließen über von Milch, und in allen Bächen Judas strömt Wasser. Eine Quelle entspringt im Haus des Herrn und tränkt das Schittim-Tal.

19Ägypten wird zur Wüste, Edom wird zur verödeten Steppe, wegen der Gewalttat an Judas Söhnen, in deren Land sie unschuldiges Blut vergossen.

20Juda aber bleibt für immer bewohnt, und Jerusalem besteht von Geschlecht zu Geschlecht,

21ich erkläre ihr Blut für unschuldig, das ich vorher nicht für unschuldig erklärte, und der Herr wohnt auf dem Zion.

KOMMENTAR | Sr. Anne-Claire FMJ

Gericht, Sicheln, die schwingen, Finsternis, Getöse und Getümmel … In dieser Mittagsstunde, in der wir uns vielleicht eine Zeit der Ruhe mit dem Herrn gewünscht haben, könnte die bilderreiche Sprache des Propheten Joels nur mit Schwierigkeiten den Weg zu unserem Herzen finden. In seinem kleinen Buch vermischen sich ständig drei Themen: erschreckende Plagen, Ruf zur Umkehr, Erneuerung und Verkündigung des Heils. Und wiederkehrend durch die Zeilen: Der Schrei Gottes. „Der Herr brüllt vom Zion her“. Es ist der Schrei der Empörung Gottes gegen die Sünde und die Verhärtung der Herzen. Ein ausgestoßener Schrei, um sein Volk aus aller Schläfrigkeit, Gleichgültigkeit zu reißen. Diese Gewalt ist vor allem die Gewalt der Liebe, mit der Gott seine Schöpfung sucht. Hinrichten will er nicht, sondern aufrichten. Retten, nicht vernichten. Aber er will auch nicht zwingen.

Eigentlich geht es um ein Thema, das uns doch in einer Zeit, die aus gutem Grund Anspruch auf Wahrheit und größere Transparenz hat, nicht so fremd ist. Es geht darum, sich mit der Realität des Bösen zu konfrontieren. Das Böse, was wir erleiden und das, wofür wir uns zu Komplizen machen. Heute stellt uns das Wort vor die Wahrheit unseres Lebens angesichts des Herrn. Und die Frage gilt für alle Ebenen: sowohl die persönliche als auch die gemeinschaftliche und die gesellschaftliche. Bin ich, sind wir, bereit das Licht des Herrn aufstrahlen zu lassen in allem, was weh tut, uns beschämt und lähmt? Und wir wissen es: sich der Realität zu stellen, Wahrheiten anzunehmen ist schmerzhaft, verlangt menschliche Arbeit und Neuordnung in unserem Glauben. Und da lautet ausgerechnet die Botschaft von Joel: Gott wohnt auf dem Zion: es ist ein Bild des Heils. Das heißt: Inmitten aller Krisen darauf zu vertrauen, dass der Herr, unser Gott bei uns ist und uns die Inspiration und Kraft gibt, zu bewältigen, was immer kommen mag. Gericht und Heil sind untrennbar verwoben und das fängt schon jetzt an. Je näher und konkreter ich Gottes Wort und Gottes Licht an mich heranlasse, desto deutlicher spüre ich die Kraft der Wahrheit. Das kann tröstlich und sehr schmerzhaft zugleich sein. Beides ist heilsam.