27. Sonntag im Jahreskreis A

Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seine Früchte holen zu lassen. | Mt 21,34

+ Aus dem Evangelium nach Matthäus (21,33-42.44.43)

In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohepriestern und den Ältesten des Volkes:

33Hört noch ein anderes Gleichnis: Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm.

Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land. 34Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seine Früchte holen zu lassen. 35Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, wieder einen anderen steinigten sie.36Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso. 37Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. 38Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn umbringen, damit wir sein Erbe in Besitz nehmen. 39Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.

40Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt: Was wird er mit jenen Winzern tun? 41Sie sagten zu ihm: Er wird diese bösen Menschen vernichten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist. 42Und Jesus sagte zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; vom Herrn ist das geschehen und es ist wunderbar in unseren Augen? 44Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen. 43Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die Früchte des Reiches Gottes bringt.

Predigt (Br. Jean-Tristan FMJ)

In der letzten Zeit ist in der Liturgie oft vom Weinberg die Rede.

Am letzten Sonntag haben wir das Gleichnis der beiden Söhne, die ihr Vater in den Weinberg schickt, gehört.

Heute nimmt das Evangelium als Echo die erste Lesung aus dem Buch Jesaja auf und spricht auch von einem Weinberg, seinem Besitzer und den Winzern.

Um in ein Gleichnis eintreten zu können, muss man eine seine Türen finden. Heute Morgen schlage ich ihnen vor, die Tür des Herzens zu benutzen.

Des Herzens des Weinbergsbesitzers. Des Herzens Gottes. Hören wir es schlagen und lassen wir es zu uns sprechen.

Was ist die erste Bewegung des Herzens Gottes, die wir in diesen Lesungen wahrnehmen?

Hans Urs von Balthasar scheut sich nicht, hier von der „Enttäuschung Gottes“ zu sprechen. Ja, Gott ist zutiefst enttäuscht.

Er hatte doch seinen Weinberg voller Liebe umgegraben und von Steinen befreit. Er hatte ihn durch einen Wachturm geschützt. Er liebte jeden Winkel seines Weinbergs.

Dann hoffte er, dass der Weinberg Trauben brächte, doch er brachte nur faule Beeren.

Was hätte es für meinen Weinberg noch zu tun gegeben, das ich ihm nicht getan hätte? (Jes 5,2)

Dieser Enttäuschungsschrei Gottes hallt in den Improperien wider, die man am Karfreitag singt.

« O mein Volk, was habe ich dir getan? Womit nur habe ich dich betrübt? Antworte mir! »

Gott hat dieses Volk aus Ägypten herausgeführt.

Er hat es die Wüste des Todes durchqueren lassen.

Er hat ihm ein Land geschenkt, in dem Milch und Honig fließen.

Er hat mit ihm einen Bund der Liebe geschlossen.

Aber dieses Volk hat sich von seinen Geboten abgewandt.

Es wollte nicht auf die Propheten hören.

Und eines Tages haben seine Anführer sogar den Erben getötet.

Sie haben ihn an ein Kreuz genagelt.

Das Herz Gottes ist tief enttäuscht.

Warum töten die Winzer den Erben? Weil er kam, um seine Früchte holen zu lassen. Genau da liegt das Problem.

Der Theologe Johann-Baptist Metz sagte einmal etwas provozierend, dass die heute gültige Formulierung nicht „Gott ja, Kirche nein“ heiße, sondern im Gegenteil „Gott nein, Kirche ja“. Man möchte eventuell noch eine Kirche, falls sie nicht zu einengend ist.

Sogar Atheisten haben nun ihre Kirche, diese sogenannte « Sunday Assembly »die aus den USA kommen, die sehr erfolgreich sind und auch in Europa Fuß fassen.

Ihr Gründer erklärt übrigens: « Viele Dinge in der Religionsausübung haben nichts mit Gott zu tun : es geht darum, Leute zu treffen, darüber nachzudenken, wie man sein Leben verbessern kann. »

Eine Kirche, warum nicht, „aber man möchte nichts mit einem persönlichen Gott zu tun haben, der spricht, der mich kennt, der etwas ganz Bestimmtes gesagt hat, der zu mir kommt mit einer genauen Forderung und der mich richten wird[1].“

Ja, Gott ist enttäuscht. Enttäuscht, so viele Getaufte zu sehen, die sich in ihm täuschen und vor ihm weglaufen. Denn er kommt, um seine Früchte holen zu lassen.

Nicht, um uns zu verurteilen. Sondern um sich mit uns am Hochzeitswein zu erfreuen.

Was geschieht normalerweise, wenn man enttäuscht ist? Nehmen wir als Beispiel ein Kind, das mit Knetgummi spielt.

Es knetet das Material. Es formt Personen, Häuser, Tiere. Dann hört es plötzlich auf, runzelt die Stirn.

Und mit einer wütenden Geste macht es das entstehende Werk kaputt. Das ist die Logik des Menschen.

Was enttäuscht, was nicht unseren Erwartungen entspricht, zerstört man. Und man beginnt etwas Neues.

Diese ganz menschliche Logik finden wir auch in unserem Evangelium.

Die Einstellung der mörderischen Winzer wird so kommentiert: [Der Besitzer des Weinbergs] wird diese bösen Menschen vernichten. Aber nicht Jesus hat das gesagt.

Sondern die Menge der Zuhörer.

Wer das Herz Gottes kennt, weiß, dass er langmütig und reich an Güte ist. (Ps 103,8) Er weiß, dass seine Treue stärker ist als seine Enttäuschung.

Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu, wird der heilige Paulus sagen (2 Tim 2, 13).

Das auserwählte Volk, sein geliebter Weinberg, hat in seiner Mehrheit Jesus abgelehnt, das stimmt.

Aber der Herr hat es nicht vernichtet.

Der heilige Paulus, der unter der Weigerung Israels furchtbarer leidet, stellt folgende Frage:

Ich frage also: Hat Gott sein Volk verstoßen?

Keineswegs! (Röm 11,1)

Und der Apostel schließt seine Begründung mit diesem berühmten Satz :

Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt. (Röm 11, 29)

Was Gott für Israel getan hat, soll uns mit Hoffnung erfüllen.

Für unsere armselige Kirche, die uns an manchen Tagen mitgenommen erscheint.

Christus hat Petrus verheißen, dass die Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen werden (Mt 16,8).

Er hat uns versprochen:

Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28,20)

Schwestern und Brüder, Gott ist treu.

Was er verheißen hat, wird er tun.

Er ist kein launiges Kind, das das zerstört, was ihm nicht gefällt.

Wenn Gott liebt, ist es für immer.

Herr, eines Tages wirst du zu deiner Kirche kommen.

Um die Frucht deines Weinberges abzuholen.

Was wird sie dir an diesem Tag zu geben haben?

Einige Reben, ein paar Trauben oder überhaupt nichts ?

Selbst wenn sie mit leeren Händen kommt.

Gib, dass sie nicht vor dir wegläuft.

Sondern sich vertrauensvoll in deine Barmherzigkeit fallen lässt.

Auf dein Herz, das die Welt so sehr geliebt und so sehr für sie gelitten hat.

Amen.


[1] J. Ratzinger, Voici quel est votre Dieu.