4. FASTENSONNTAG | B | 2021

"In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus... " | Joh 3,17

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (3,14-21)

In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodémus: 14Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat. 16Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. 17Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. 18Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.

19Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. 20Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. 21Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Predigt (Msrg. Rainer Schnettker)

Liebe Schwestern und Brüder, zum Glück sind uns viele biblische Wegbegleiter geschenkt, die uns auf unserem Lebensweg begleiten und vielleicht auch bis heute etwas zu sagen haben. Ganz kurz wird heute am Anfang der Frohen Botschaft von einem solchen Wegbegleiter gesprochen, vom Nikodemus, der hier nicht zum ersten Mal mit Jesus zusammentritt, sondern eine Folge von vielen Gesprächen geführt hat.

Dieser Nikodemus steht glaube ich für Vieles, auch in unserem Glauben, auch in unserer Kirche. Denn Nikodemus, ein etablierter Jude, ein reicher, frommer, ein Ratsherr, ein Pharisäer, einer, der fest in der Institution verankert ist und sicherlich auch dort seine Glaubensgeschichte gelebt und gehabt hat. Aber scheinbar, um mit den Worten des Evangeliums zu sprechen, ist er trotz allem noch nicht ans Licht gekommen; irgendwie scheint es noch eine Finsternis in ihm zu geben. Wir erinnern uns vielleicht Schwestern und Brüder, an die erste Begegnung Jesu mit Nikodemus. Nicht am helligten Tag, nicht in der Helle der Wahrheit des Tages, sondern mitten in der Nacht, in der Finsternis. Und die beiden kommen nicht zusammen, wenn Jesus von der Wiedergeburt spricht, Wiedergeburt aus Wasser und Geist.

Nikodemus muss ein Weg gehen mit diesem Jesus. Sein Weg will ein Prozess sein hin zum Glauben. Und ich denke, das zeigt uns vielleicht auch gerade für unsere Zeit, für unsere Tage auch, vielleicht gerade auch in kommender Woche: Kommunikation schafft communio und Gemeinschaft. Kommunikation zunächst erstmal mit ihm selber, wie Nikodemus, mit Jesus selber. Wir wissen alle unter uns Menschen, wenn die Kommunikation, das Miteinander sprechen, das einander Begegnung abreißt, dann ist auch der Tod der Beziehung vorprogammiert. Von daher lehrt mich dieses Evangelium mit dem Nikodemus als biblischem Wegbegleiter, sicherlich zunächst in der Kommunikation mit diesem Jesus zu bleiben, sie immer wieder aufzunehmen. Und es lehrt mich auch, dass ich nicht alles gleich verstehen muss, seine Botschaft, in der Größe in der Vielfalt, teilweise auch in der Paradoxie zu unserer Lebenserfahrung und Lebenswelt.

In der Kommunikation bleiben, heißt langsam in die Gemeinschaft eintreten, sich zusammenführen lassen mit diesem Jesus. Und wenn das in der persönlichen Beziehung gilt, dann gilt das sicherlich auch in der Gemeinschaft, in der Gemeinschaft der Glaubenden, der Schwestern und Brüder. Dass wir zum einen nicht fertig sind, sondern miteinander auf dem Weg, dass wir dort aber wie Nikodemus und Jesus in der Kommunikation bleiben müssen. In aller Unterschiedlichkeit vielleicht auch zunächst noch in allem Unverständnis aber eben doch in dieser Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft, die uns nur gemeinsam aus der Finsternis des eigenen Dunkel herausführt in das gemeinsame Licht, das Christus ist und das Christus uns geschenkt hat. Die Einladung also auf diesem Weg zu bleiben, mit ihm und untereinander im Gespräch, in der Kommunikation zu bleiben um gemeinsam communio, Gemeinschaft immer mehr zu werden.

Und dann spricht er, Jesus, von dieser Hingabe die nötig ist. Seine Hingabe bis zum Kreuz. Er, der aus der Hingabe erhöht wird am Holz des Kreuzes. Nicht nur für Nikodemus unverständlich, sondern, Schwestern und Brüder, für uns viele, auch für mich – immer noch. Warum muss Gott seinen geliebten Sohn hingeben, er, der Allmächtige, der Schöpfer, der Allschaffende. Warum muss er seinen Sohn hingeben, um Erlösung zu schaffen.

Warum soll geopfert werden, wo er doch Kraft und Macht hätte. Hingabe aus der Freiheit des Glaubens. Hingabe, um auf dem Weg der Menschen mitzugehen, um sie dort zu finden und anzusprechen, um uns ein Beispiel zu geben, dass aus dieser Hingabe Menschen erhöht werden aus dem Dreck dieser Erde und aus dem Blut ihrer Wunden. Das ist der Weg Christi, das ist unser Weg. Und so wird er erhöht am Kreuz, wie es im Johannesevangelium später heißt, um alle an sich zu ziehen. Vielleicht ist das das Wort, das auch Nikodemus verstanden hat, was ihn bewegt hat: Dass aus diesem Jesus heraus und von diesem Jesus ausgehend Gott in seiner Liebe zu uns Menschen so unwahrscheinlich, ja fast übermenschlich anziehend wirkt. Und diese Anziehungskraft Gottes in eine ganze Gemeinschaft hineinmünden darf, die dann eine anziehende Gemeinschaft ist, weil sie sich hingibt, hinein mitten in diese Welt, wie sie nun einmal ist, mitten hinein zu den Menschen, die der Hingabe bedürfen, der Erhöhung, der Errettung und des Heils.

Auf unserem Weg hin zum Osterfest dürfen wir vielleicht diese Gedanken mitnehmen: Kommunikation schafft Gemeinschaft mit ihm, mit Jesus, Kommunikation schafft Gemeinschaft unter uns, unter seinen Schwestern und Brüdern und in der Hingabe dürfen wir dann feststellen und weiterreichen die Anziehungskraft der Liebe Gottes. Dürfen selber anziehend hinausgehen in diese Welt mit dem Grundton dieses Sonntags, der Grundfreude, trotz aller Schwierigkeiten.

Wenn wir gleich diese Kirche hier verlassen, schauen Sie vielleicht kurz vor dem Ausgang einmal rechts zu dem spätgotischen Monument, der Grablegung und schauen Sie den Mann zu Füßen Christi an, der das Leinentuch hält, Nikodemus. Und lassen Sie sich von ihm mit auf den Weg geben, dass in der Kommunikation mit Christus und in seiner Hingabe für uns und für diese Welt Heil geschieht. Amen.

Nikodemus | Ausschnitt der Grablegungsgruppe in Groß Sankt Martin | Tilmann van der Burch, 15. Jh.

Header-Bild: Altarbild Vrensted Kirche, Niels Larsen Stevns