5. SONNTAG DER OSTERZEIT | 02.05.2021
Ich bin der wahre Weinstock! | Joh 15,1
+ Aus dem Evangelium nach Johannes (15,1-8)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: 1Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. 2Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. 3Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. 4Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. 6Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. 7Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. 8Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Predigt (Br. Fabien-Marie)
Das Wort Jesu: die Lebenskraft seiner Jünger
Schwestern und Brüder, haben Sie schon beobachtet, wie ein Weinberg wächst?
Ich stamme aus einer Region, wo es viele Weinberge gibt…
und sehr berühmte Weine… vielleicht die besten die es geben kann … aus dem Elsass!!!
Ich habe so mehrmals beobachten können, wie ein Weinberg sich entwickelt.
Nachdem der Winzer seinen Weinberg beschnitten hat, „weint“ sozusagen der Weinberg.
Die Rebzweige lassen lacryma vitis fließen, wie die Römer sagten, oder Rebwasser wie man auf Deutsch sagt, um sich von der Beschneidung zu heilen.
Dann zeigen sich zuerst die Knospen, später die Blätter. Nach den Blättern, steht der Weinstock in voller Blüte. Und nur dann fangen die Reben an zu wachsen.
Da muss der Winzer ein paar Blätter abschneiden, damit die Reben richtig Sonne bekommen, um so reifen zu können.
Und dann wird Weinlese gehalten. Zwischen Beschneidung und Weinlese, dauert das alles so ungefähr 8 bis 9 Monate. Also fast wie die Entwicklung eines Menschenkindes!
Wenn Jesus seine Jünger woanders im Johannesevangelium meine kleinen Kinder nennt, ist es also nicht ohne tiefere Bedeutung. Wie ein Kind durch die Nabelschnur im Schoß seiner Mutter ernährt wird, um wachsen zu können, so geht es auch für die Jünger Jesus.
Genauso wie die Reben vom Saft des Weinstocks abhängig sind, so sind seine Jünger von IHM abhängig, so werden seine Jünger von IHM genährt.
Was ist aber dieser Saft, diese Lebenskraft, der diese wunderbare Entwicklung ermöglicht?
***
Was denken Sie?
Vielleicht würden Sie antworten… den Heiligen Geist…
JEIN!!!
Es ist nicht was Jesus antwortet.
Er sagt in der Tat ein bisschen weiter:
Wenn ihr in mir bleibt
und meine Worte in euch bleiben,
dann bittet um alles, was ihr wollt:
Ihr werdet es erhalten.
Das Wort Jesu ist dieser Saft!
Wir wissen aber, dass der Saft eine Zusammensetzung ist, von Wasser, Mineralsalzen und auch Lipide, Proteine und Kohlenhydrate.
Genauso ist das Wort Jesu ein lebendiges Wort, weil der Heilige Geist, sozusagen die Seele dieser Worte Jesu ist.
Die Worte Jesu enthalten den Heiligen Geist.
Noch anders gesagt, der Heilige Geist ist die Kraft, ja die Lebenskraft der Worte Jesu. Und so ist das Wort Jesu für uns eine Lebenskraft.
Er ist der Weinstock, wir sind dir Reben.
Indem wir sein Wort hören und es in uns bewahren, sind wir Reben die dann Frucht tragen können.
Sein Wort ist diese Nahrung, der auch wir, die heutigen Jüngerinnen und Jünger Jesu bedürfen.
Im Anfang war das Wort
[erklärt uns Johannes
in den ersten Zeilen seines Evangeliums],
Alles ist durch das Wort geworden,
und ohne das Wort wurde nichts was geworden ist.
In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen (…)
Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt. (Joh 1,1-4.14)
Ja! das Wort wurde vom Vater, dem Winzer, in die Erde unserer Menschennatur eingepflanzt, damit die vollwaisen Reben, die wir waren,
auf dem wahren Weinstock veredelt werden könnten.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
Schwestern und Brüder, ist es uns bewusst, dass Jesus, das Wort des Vaters, ein Lebenssaft, der Lebenssaft schlechthin ist?
Welchen Platz hat sein Wort in unserem persönlichen Gebetsleben?
Wie hören wir sein Wort im Gottesdienst?
Nehmen wir uns Zeit, um Jesus auch zu Hause zu hören?
Trinken wir wirklich aus dieser Quelle?
Springen wir wirklich in diesen Fluss?
Oder sitzen wir nur daneben, ohne einmal eine Zehe nass zu machen?
Mein Vater wird dadurch verherrlicht [fügt Jesus hinzu]
dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Es geht um die Ehre des Vaters!!!
Wie die Trauben viel Zeit und Saft brauchen, so brauchen auch wir viel Zeit und Saft, um wirklich Jünger Jesu zu werden und gute Früchte tragen zu können.
Sein Wort ist wirklich eine Nahrung. Lassen wir uns also von ihm nähren.
Aber WIE, fragen sie sich vielleicht…
***
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich noch ein Bild benutzen. Ich habe ja mit dem Elsass angefangen, so möchte ich auch mit dem Elsass schließen.
Es gibt in der Stadtbibliothek von Colmar, ein Manuskript aus dem 15 Jahrhundert (1415), der als „Spiegel des Leidens Christi“ betitelt ist.
Es enthält eine Darstellung der mystischen Kelter. Jesus wird in der Kelter, wie die Trauben, gepresst.
Wie man in der Offenbarung des Johannes lesen kann, ist Jesus mit einem blutgetränkten Gewand bekleidet; und sein Name heißt „Das Wort Gottes“ (vgl. Offb 19,13).
In dieser Darstellung wird das Blut des „gekelterten“ Christus nicht nur zur Quelle der Eucharistie, sondern aller Sakramente.
Eigentlich nicht nur sein Blut, sondern seine ganze Person, also wer er ist, das Wort Gottes, wird zur Quelle der Sakramente.
Durch die Sakramente, die ja immer Wort Gottes und Heiligen Geist verbinden,
haben wir Zugang zu Jesus als dem wahren Weinstock.
Die Sakramente sind der beste Zugang zum Lebenssaft.
Durch die Taufe wurden wir auf Jesus veredelt.
Durch die Eucharistische Kommunion, mit Jesus vereint, er in uns, und wir in ihm.
Durch die Firmung, mit seinem Geist gestärkt.
Durch die Ehe oder die Weihe, zu einem besonderen Dienst in der Kirche und in der Welt bestellt.
Durch die Beichte werden wir gereinigt und unsere Wunden werden verbunden.
Durch die Krankensalbung wieder gestärkt.
So sind wir und bleiben wir EINS mit IHM. Wie er EINS ist mit dem Vater im Heiligen Geist. Und so sind wir befähigt, Frucht zu Tragen.
Der Vater wird dadurch verherrlicht, und wir werden so immer mehr Jünger Jesu werden. Zur Ehre Gottes und zum Heil der ganzen Welt!
Amen!