6. Ostersonntag | Joh 14,15-21

ICH WERDE EUCH NICHT ALS WAISEN ZURÜCKLASSEN. ICH KOMME ZU EUCH. | Joh 14,18

+ Aus dem Evangelium nach Johannes (14,15-21)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: 15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. 18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. 19 Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet. 20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. 21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Predigt (Br. Jean-Tristan)

„Nichts wird mehr sein, wie es war“ Heutzutage hören wir oft solche Sprüche.

Neue Propheten aus den Medien, aus der Theologie oder aus der Wirtschaft erklären uns mit einem gewissen Pathos, wie die Welt nach dem Coronavirus aussehen wird.

Laut ihnen, müsste alles von Grund auf neu erfunden werden.

Denn die Welt von früher wäre verdorben.

Und systematisch drucken sie die Liste der Fehler der alten Welt aus, die zu der heutigen Katastrophe geführt hätten. Haben sie Recht? Mal gucken.

Wer kann denn heute wissen, wie unsere Welt nach der Pandemie aussehen wird?

Dennoch, eines ist sicher. Dieses Virus hat schon unsere Art und Weise, Beziehungen wahrzunehmen ganz und gar verändert, und für lange Zeit.

Denn wo Beziehung, Austausch, und Gabe möglich sind, da ist Leben.

Wir sind alle die Frucht einer Beziehung zwischen unseren Eltern.

Wo dagegen keine Beziehung mehr möglich ist, da ist Tod.

Das lernen wir heute durch diese Pandemie.

Sie hat einen generellen Verdacht auf jede Beziehung hervorgebracht.

„Bleib auf Distanz, sonst könntest du mich anstecken“.

Deswegen ist alles mit einem Schlag zusammengebrochen.

Das Coronavirus hat etwas „teuflisches“.

Der Teufel, „Diabolos“ auf Griechisch, ist derjenige, der trennt, der spaltet, der Grenzen und Absperrungen einsetzt. Der verhindert, dass das Leben fließt. Und der Tod bringt.

Die Texte der heutigen Messe sind von einer genau entgegengesetzten Bewegung geprägt.

Nehmen wir das heutige Evangelium.

Es ist ein Auszug aus der Abschiedsrede Jesu im Johannesevangelium.

Jesus steht an der Schwelle seiner Passion. Er wird gehen. Er weiß es. Seine Jünger wissen das auch. Ihr Herz ist verwirrt. Sie haben Angst.

Jesus sagt ihnen, dass er sie zwar verlassen wird. Aber er wird wiederkommen. In einer ganz neuen Weise. Und dann wird er ihnen noch inniger nahe sein als in der Zeit seines irdischen Lebens. Hören wir Jesus wieder.

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen. Ich komme zu euch. Ich werde den Vater bitten Und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.“

Physisch geht Jesus fort. Aber im Gegensatz zu der Logik des Coronavirus, bricht er die Beziehung nicht ab. Er schafft eine neue, innigere und fruchtbarere Beziehung.

Er bleibt präsent im Herzen seiner Jünger durch den Heiligen Geist.

Wir glauben an Gott. Aber nicht an irgendeinen Gott. Wir glauben an einen Gott, der in Beziehung ist. Dieser Gott kennt keine „Barriere-Gesten“. Er ist in sich selbst Beziehung.

In ihm fließt die Liebe zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist.

Bald werden wir dies am Dreifaltigkeitssonntag betrachten. Dieser Gott schafft Beziehung Mit jedem von uns. Er wohnt in uns. Dieser Gott lädt uns ein, uns den anderen zuzuwenden.

Um untereinander Beziehungen zu schaffen. Damit seine Liebe weiter fließen kann.

Das haben wir in der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte gehört. Der Diakon Philippus predigt in Samaria. Und viele Samariter nehmen das Wort Gottes an. So herrschte große Freude in jener Stadt, heißt es.

Erinnern wir uns an die ursprünglichen Beziehungen zwischen Juden und Samaritern.

Sie wurden am 3. Fastensonntag dieses Jahres erwähnt. Die Juden verkehren nicht mit den Samaritern, hieß es. Dieser Gott, an den wir glauben, will keine Grenze zwischen Völkern, Rassen und Nationen. Er ist ein Gott der Beziehung.

Wo sein Wort angenommen wird, da stürzen die Mauern ein.

„Nichts wird mehr sein, wie es war“ Mal gucken. Unsere Art und Weise in Beziehung zu sein, wird anders sein. Sehr wahrscheinlich. Aber zwei Sachen werden bleiben.

Zuerst Gott. „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles vergeht, Gott bleibt derselbe.“

So beginnt das berühmte Gebet von Teresa von Avila „Solo Dios basta“.

Er ist und wird immer ein Gott des Lebens, ein Gott der Beziehung sein.

„Seine Liebe zu dir wird nie vergehen - er hat deinen Namen in seine Hände geschrieben“ so unser Lebensbuch.

Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit, so der Hebräerbrief. (Hebr 13,8)

Am Tag vor seinem Abschied hat er seinen Jüngern versprochen, dass er sie nicht als Waisen zurücklassen wird. Dieses Versprechen gilt noch heute für uns.

Schwestern und Brüder, Jesus wohnt heute in uns durch den Heiligen Geist.

Die zweite Sache, die sich nicht ändern wird, ist unsere christliche Hoffnung.

In der zweiten Lesung sagt der Apostel Petrus. Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.

Was ist diese Hoffnung?

Hören wir die Antwort des Petrus.

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus:

Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist. (1 P 1,3)

Diese Corona-Krise ist für jeden von uns die Gelegenheit, seine persönliche christliche Hoffnung zu überprüfen. Ohne diese irdische Welt zu verachten und zu verdammen.

Denn diese Welt wurde von Gott geschaffen und ist von Gott geliebt und gesegnet.

Aber wie Paulus einmal gesagt hat:

Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. (1 Kor 15,19)

Eines Tages wird diese Welt mit ihren Viren vergehen.

Und eine neue Welt in Gott und mit Gott ist uns versprochen.

Ja, unsere irdische Welt wird vergehen. Aber was nicht vergehen wird, sind die Beziehungen, die wir in ihr geknüpft haben. Was nicht vergehen wird, ist die Liebe.

Denn die Liebe hört niemals auf (1 Kor 13,8).

Amen Halleluja