KARFEITAG | 10.04.2020

FEIER VOM LEIDEN UND STERBEN CHRISTI

Predigt (Br. Jean-Tristan)

Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter… und bei ihr der Jünger, den er liebte.

Du stehst da, bei dem Kreuz, Johannes, der Jünger, den Jesus liebte.

Du stehst da, bei der Mutter.

Diese Szene möchten wir nun mit deinen Augen betrachten.

Diese Szene möchten wir mit deinem Herzen miterleben.

Du bist wirklich ein Gottsuchender.

Weil du Gott finden möchtest, bist du zuerst Jünger Johannes des Täufers geworden.

Das war schon vor drei Jahren.

Eines Tages hat dieser seinen Blick auf Jesus gerichtet und dir gesagt: Seht, das Lamm Gottes!

Jesus hat dich gefragt: „Was wollt ihr“.

Du hast geantwortet: Meister -, wo wohnst du?

Er hat einfach erwidert: Kommt und seht!

Dann bist du diesem Mann gefolgt.

Du bist ihm überall hin gefolgt.

Auf den Straßen von Galiläa.

In den Gassen von Jerusalem.

Du wurdest Zeuge seiner Zeichen.

Du hast sein Wort gehört.

Und dieser lange Weg führt dich heute bis unter das Kreuz.

Die Stunde ist da.

Die Stunde des Kreuzes.

Das ist der entscheidende Moment für denjenigen, der Gott sucht.

Jesus nachzufolgen und Gott mit ihm und sogar in ihm zu suchen, das schien so einfach, als dieser Jesus Wunder tat, als große Menschenmengen ihm folgten und über seine Gesten und Worte staunten.

Nun heute unter dem Kreuz bist du allein mit drei Frauen.

Wo sind die anderen geblieben?

Sie haben auf dem Weg aufgegeben.

Sie haben die Prüfung des Kreuzes nicht aushalten können.

Sie haben nicht angenommen, dass der Gott, den sie suchten, dieser Gott war.

Ein Gott, der sich zu einem von uns gemacht hat.

Und der freiwillig zulässt, wie ein Verbrecher zu leiden und zu sterben.

Du hast nicht aufgegeben

Du bist nicht umgekehrt.

Du bist dem Lamm bis zum Kreuz gefolgt.

Auch du erlebst eine große Prüfung unter dem Kreuz.

Ohnmächtig musst du das Leiden und den Tod, dessen, den du liebst und der dich liebt, miterleben.

Du kannst nichts tun.

Außer da zu sein.

Und schweigend denjenigen zu begleiten, der sich verabschiedet.

Aber unter dem Kreuz machst du auch eine erstaunliche Erfahrung.

Normalerweise ist das Kreuz der Ort der Trennung.

Wo alle Bindungen brutal und unerbittlich abgeschnitten werden.

Hier ist es anders.

Du blickst auf Jesus.

Du siehst keinen in seinem Leiden isolierten Menschen.

Du siehst keinen Sterbenden, der sich in seiner Agonie abkapselt.

Nein, du siehst, wie Jesus am Kreuz weiter verbindet, eint, Beziehung schafft.

Er vertraut dich seiner Mutter an.

Frau, siehe, dein Sohn.

Und dir vertraut er seine Mutter an.

Siehe, deine Mutter.

Hat er nicht einmal gesagt:

Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.

Maria und du sind beide die allerersten, die der Gekreuzigte an sich zieht.

Es gibt mehrere Arten und Weisen, das Kreuz zu betrachten.

Jede hat ihre Berechtigung.

Keine schließt die andere aus.

Letzten Sonntag haben wir das Kreuz mit den Augen des Evangelisten Matthäus betrachtet.

Eine sehr düstere Betrachtung.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? hat Jesus gerufen.

Und bevor er den Geist aushauchte, hat er noch einmal mit lauter Stimme geschrien.

Hier ist das Kreuz der Ort des absoluten Horrors, der Vernichtung, der Absurdität.

Johannes, durch deinen Blick, du, der Jünger, den Jesus liebte, hilfst du uns, eine andere Facette des Kreuzes zu entdecken.

Das Kreuz ist auch ein Ort, wo das Leben entspringen kann.

So lehre uns auf das Kreuz wie du zu blicken.

Besonders heute, in dieser wirren Zeit der Coronavirus-Pandemie.

Ja, wir durchleben ein Kreuz im Sinne des Evangelisten Matthäus.

Eine schwere Prüfung, wo alle unsere professionellen, familiären oder religiösen Bindungen abgeschnitten scheinen.

Aber dein Blick lehrt uns eine andere Weise, dieses Kreuz zu betrachten.

Auch wie ein „Kairos“, wie eine Zeit der Gnade, wo uns die Gelegenheit gegeben ist, unsere Beziehungen zueinander, mit der Umwelt und mit diesem Gott, den wir wie du suchen, neu zu gestalten.

Und wenn wir mit deinem Blick auf das Kreuz nichts anfangen können,

lehre uns wenigstens deine Hoffnung.

Diese Hoffnung, die dich am Ostermorgen bei deinem Lauf zum Grab getragen hat.

Denn du ahntest, dass das Grab und der Tod nicht das letzte Wort haben würden.

Sondern, dass das Leben siegen würde.

Für immer.

Amen