2. GEBET

13. Der Heilige Geist ist Lehrer und Meister deiner Berufung zum Gebet. Selbst wenn du nicht weißt, wie du aufrichtig beten sollst, nimmt er sich deiner Schwachheit an; et tritt für dich ein und lehrt dich in rechter Weise zu beten.

Glaube fest, dass die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist, der dir geschenkt wurde,[1] in dein Herz ausgegossen ist: So bist du nicht mehr Sklave, sondern Kind, Kind und damit Erbe Gottes, Erbe aller Verheißungen seiner göttlichen Herrlichkeit. Wenn du betest, bete im Heiligen Geist. Lösche niemals den Geist Gottes in dir aus. Der Vater verweigert ihn dir nicht, wenn du um ihn bittest.

Im Beten begegnest du Gott, hörst auf ihn, sprichst mit ihm, öffnest dich seiner Liebe und antwortest dieser Liebe.[2]

In deinem Beten lernst du, dich selber zu erkennen und dein Leben zu gestalten; dein Weg erhellt sich, und dein Herz fasst Mut.

In deinem Beten wirst du die Menschen am besten verstehen und ihnen wirklich begegnen, hier hilfst du ihnen aus der Tiefe des Herzens heraus und dienst der Welt mit großer Wirksamkeit.

Darum wache und bete ohne Unterlass: für Gott, für die Welt und für dich selbst[3]. Vielleicht gibt es keine wunderbarere Einladung, die der Mensch annehmen kann, als ein Leben aus der Tiefe des Gebets.

(…)

14. Mit deiner Wahl, im Herzen der Städte zu beten, möchtest du verdeutlichen, dass dein Leben im Herzen Gottes verankert ist. Ein monastisches Leben inmitten der Stadt wählst du nicht aus Solidaritäts- oder Apostolatsgründen; denn der Mönch sehnt sich vor allem danach, im liebenden Umsonst nach Gott Ausschau zu halten. Ohne Unterlass sucht er ihn am kostbarsten Ort seiner Gegenwart und dieser Ort ist – noch vor der Einsamkeit, dem Berg, der Wüste oder dem Tempel – [4]. die Stadt der Menschen, die alle, verborgen in ihrem Antlitz, das Antlitz Gottes tragen und Widerschein des wahren Christusbildes sind. Bruder, Schwester von Jerusalem: Du lebst als Mönch im Herzen der Stadt Gottes.

Dabei wählst du nicht, Gebet und Leben voneinander zu trennen, sondern zu vereinen. Du trägst dein Gebet in die Stadt hinein und öffnest dein Gebet der Stadt. Das Miteinander von Aktion und Kontemplation, von Arbeit und ruhendem Gebet, von lärmender hast und vertrauter Stille in Gott [5], lebst du wie Jesus selbst, wie Maria, die Apostel und unzählige Mönche schon vor dir. Ihr Beispiel soll dir Hoffnung und Halt geben.


16. Dieser Weg mit seinen Mühen und seiner Herrlichkeit wird dich alle Geheimnisse des Gebets lehren:

Bete mit Armut. Du bist schwach, unbeständig, unaufmerksam und zutiefst unfähig, Gott einzuholen und dich ihm zu öffnen. Gott ist dreimal heilig, und du bist ein Sünder vor ihm. Nimm deine Armut an und vertraue darauf, dass Jesus auch das Gebet des demütigen Zöllners gesegnet hat [6]. Das Gebet des Armen dringt bis zu den Ohren Gottes.

Bete wie ein Kind. Ihr Lieben, schon jetzt seid ihr Kinder Gottes. Doch nur wenn du wie ein kleines Kind wirst, kannst du in sein Himmelreich eingehen. Nur wenn du ihm mit dem beharrlichen Glauben eines Kindes vertraust, wirst du den Himmel geschenkt bekommen [7]. Darum lass in deinem Herzen den Lobgesang der Kinder und Säuglinge aufsteigen.

Denn du bist ein Kind Gottes, und sein Heiliger Geist führt dich hinein in die heilige Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.

Bete im Namen Jesu. Sei ganz Sohn oder Tochter in dem einzigen Sohn, und der Vater wird dir nichts verwehren. Vielleicht hast du bislang noch nie etwas in seinem Namen erseht. Bitte, und du wirst empfangen, und deine Freude wird vollkommen sein. Was immer du auch in seinem Namen erbittest, das wird Jesus tun[8], das wird der Vater dir erfüllen. Dem Glaubenden ist alles möglich, und mehr noch dem Liebenden; denn er macht sein Herz für den dreieinen und allmächtigen Gott weit. Wenn du liebst, wenn du glaubst, vermagst du alles, was es auch sei, denn du betest im Namen Jesu.


17. Bete im Heiligen Geist. Von nun an wohnt er selbst in dir; denn du hast den Geist empfangen, der dich zum Kind Gottes macht und dich rufen lässt: „Abba! Lieber Vater!“ Lass ihn in dich ein, damit er die Tiefe deiner Schwachheit durchdringe und für dich in wortlosem Seufzen eintrete [9]. Lerne, in deinem Beten auf den zu hören, der dich in die ganze Wahrheit führen und dich mit seinen Gaben erfüllen will. Weil der Geist dein Leben ist, ja, weil er selbst es ist, der in dir betet, so sei er auch die Mitte all dessen, was du tust.

Bete voller Vertrauen. Dein Gebet hat mehr Macht über das Herz Gottes, als du glaubst. Wirkmächtig ist das inständige Gebet des Gerechten! Und Christus sagt es dir von neuem: Alles, worum du betest und bittest – glaube nur, dass du es schon erhalten hast, so wirst du empfangen. [10]

Bete mit Beharrlichkeit. Mit hoffender Freude und geduldig in der Bedrängnis sei ausdauernd im Gebet. Es halte dich im Danken wach, und deine Beharrlichkeit, selbst wenn sie aufdringlich würde, wird Erhörung finden [11]: Aufgrund deiner Entschlossenheit wird sich Gott aufrichten und dir alles geben, was du brauchst.


[1]«Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.» (Röm 5,5)[2]«Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.» (Mt 6,6)[3] «Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.» (Lk 21,36)[4] «Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.» (Gen 1,27)[5]« Ob ihr also esst oder trinkt oder etwas anderes tut: tut alles zur Verherrlichung Gottes! » (1 Kor 10,31)[6] «Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.» (Lk 18,14)[7]«Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.» (Mt 18,3)[8] «Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun.» (Joh 14,13)[9] « So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.» (Röm 8,26)[10]«Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet - glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.» (Mk 11,24)[11] «Lasst nicht nach im Beten; seid dabei wachsam und dankbar!» (Kol 4,2)