5. OFFENHEIT

39. Sei offen und teile.

Gott ist Mensch geworden, damit du im Menschen Gott aufspürst. Wenn du dich den Menschen öffnest, wirst du darum Gott begegnen.

Denn wer seinen Nächsten aufnimmt, nimmt Christus auf, und wer ihn so aufnimmt, nimmt den auf, den er gesandt hat. [1]

Er begegnet wirklich dem Vater, den niemand je gesehen hat. Und sein Offensein und Teilen werden zum erstaunlichen Weg der liebenden, stillen Begegnung mit Gott.

Gott aber selbst ist teilende Offenheit, und wenn du dich auf diese anspruchsvolle Einladung einlässt, handelst du ihm gleich und wirst auf wunderbare Weise zur Nachahmung Gottes geführt.

Aus diesem Grund ist auch die Gastfreundschaft immer eine typisch monastische Tugend gewesen. Ein Leben in Schweigen, voller Hingabe und Askese in Einsamkeit genügt nicht. Allein die Liebe ist das kostbarste Gut.

Bitte den Herrn, dir die Augen für dieses Geheimnis zu öffnen.

Gott hat dein Herz im Tiefsten weit gemacht und ihm einen wahren Schatz anvertraut. Von nun an ist es so deine Aufgabe, zu empfangen und zu verschenken. Teile den Schatz des Himmelreichs, der verborgen in deinem Herzen liegt, und mache dein Zelt weit für alle, die mit dir sind. [2]


40. Sei offen für Gott.

Nur wenn er dein Leben erfüllt, wirst du mit offenen Händen zu teilen wissen; nur wenn er in dir wohnt, wirst du dich wirklich anderen öffnen können. Durch dein Beten und deine Liebe mach dich innerlich weit für Gott, der wirklich gegenwärtig ist, und er wird dein helles Licht sein. Die Gnade Gottes ist dir dazu geschenkt, um sie mit anderen zu teilen.

Weil du nichts hast, was du nicht empfangen hättest, behalte nichts für dich, was du nicht zu teilen bereit wärst. Empfange Gott, um ihn zu teilen.

Sei offen für deine Gemeinschaft.

Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes, sagt der Apostel. [4] Jedes Haus, das in sich selbst gespalten ist, geht zugrunde. Nur eine Gemeinschaft, die aus einer tiefen Einheit heraus lebt, wird sich wirklich anderen öffnen können.

Jeden Tag neu und in jedem neuen Augenblick sei offen für deine Brüder und Schwestern. Nimm sie liebend an, wie sie sind, und nicht, wie du sie dir wünschen würdest. Was nützt es dir, nach außen hin weit offen zu sein, wenn du dich in deinem Innersten dem anderen verschließt? Ertragt einander in Demut, Sanftmut und Geduld und voller Liebe. [5] Die Aufgeschlossenheit deines Herzens in deiner Gemeinschaft wird dich auch in rechter Weise für die öffnen, denen du außerhalb begegnest.


41. Sei offen für andere.

Vergiss nicht die Gastfreundschaft; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.

Öffne dich der Stadt. Du hast dich entschieden, in ihr zu leben; so nimmst du auch ihre eigenen Rhythmen und Gesetze, ihre Fragen und Leiden, ihre Probleme, aber auch ihre Heiligkeit an. Teile dies alles in gemeinschaftlicher Verbundenheit und werde so glaubwürdig für sie in allem, was du in ihrer Mitte lebst und glaubst. Wie Silber im Schmelzofen zerfließt, werdet auch ihr im Herzen der Stadt zum Schmelzen gebracht. Christus selbst hat es in Jerusalem gelebt. [6]

Öffne dich den Städtern. Die Menschen, die dich umgeben, Denen du begegnest, die du empfängst, die mit dir beten, haben alle Durst nach lebendigem Wasser und sind von Erschöpfung, Unruhe, Einsamkeit, Anonymität und dem allgegenwärtigen Lärm gezeichnet. Versuche, um ihretwillen eine Oase des Gebets und des Friedens zu schaffen und sie mit ihnen zu teilen.

Sei ebenso offen für dein Stadtviertel, wie du es vorfindest, und vergiss nie den doppelten Anspruch, in guter Nachbarschaft zu leben und deinen Glauben zu bezeugen. Sei weder ein Anlass zum Ärgernis noch eine Gelegenheit zu Gerede und Gespött für die, die rings und dich wohnen. [7]





[1] « Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.» (Mt 10,40-42)[2] «Mach den Raum deines Zeltes weit, spann deine Zelttücher aus, ohne zu sparen. Mach die Stricke lang und die Pflöcke fest!» (Jes 54,2)[3] «Denn wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?»(1 Kor 4,7)[4] «Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.» (Röm 15,7)[5] «Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.» (Eph 4,2-3)[6] «Wie Silber im Schmelzofen schmilzt, so werdet ihr darin zum Schmelzen gebracht. Dann erkennt ihr, dass ich, der Herr, meinen Zorn über euch ausschütte.» (Ez 22,22)[7] «Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde. Wehe der Welt mit ihrer Verführung! Es muss zwar Verführung geben; doch wehe dem Menschen, der sie verschuldet» (Mt 18, 5-7)