KARDIENSTAG
"Im Schatten der Nacht sät der Böse Entzweiung und sucht unablässig, wen er verschlingen kann. Um dich der Liebe zu öffnen, entreiße dich unaufhörlich der Nicht-Liebe."
Lebensbuch von Jerusalem § 5
Heute sind wir mit Johannes an der Seite Jesu | Joh 13,21-33.36-38
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
In jener Zeit, 21als Jesus mit seinen Jüngern bei Tisch war, wurde er im Innersten erschüttert und bekräftigte: Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten.
22Die Jünger blickten sich ratlos an, weil sie nicht wussten, wen er meinte.
23Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. 24Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche.
25Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?
26Jesus antwortete: Der ist es, dem ich den Bissen Brot, den ich eintauche, geben werde. Dann tauchte er das Brot ein, nahm es und gab es Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. 27Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, fuhr der Satan in ihn. Jesus sagte zu ihm: Was du tun willst, das tu bald! 28Aber keiner der Anwesenden verstand, warum er ihm das sagte.
29Weil Judas die Kasse hatte, meinten einige, Jesus wolle ihm sagen: Kaufe, was wir zum Fest brauchen!, oder Jesus trage ihm auf, den Armen etwas zu geben.
30Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht.
31Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht. 32Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen, und er wird ihn bald verherrlichen. 33Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ihr werdet mich suchen, und was ich den Juden gesagt habe, sage ich jetzt auch euch: Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen.
36Simon Petrus sagte zu ihm: Herr, wohin willst du gehen? Jesus antwortete: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen.
37Petrus sagte zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben.
38Jesus entgegnete: Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, das sage ich dir: Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Hinführung zur Betrachtung des Evangeliums
Wer ist es? Kennen Sie dieses Gefühl... unkonkret wird jemand beschuldigt oder angesprochen, aber man weiß nicht genau wer. "Meint er mich? Bin ich es?"
Und dabei haben die Jünger hier immer noch keinen blassen Schimmer davon, was sich ereignen wird. Sie verstehen nicht recht, was Jesus ihnen damit sagen will. Aber es liegt etwas in der Luft. Zweien bei diesem Essen geht es durchs Herz... "Jesus wurde im Innersten erschüttert" - und im Herzen des Judas bahnt sich die Nacht an, in der der Böse die Entzweiung ins Herz säen kann.
Unser aller Menschenherz ist tief und weit und fähig in diese Nacht zu geraten. Ein Blick in die Weltgeschichte zeigt all das Menschenmögliche. Das Herz ist wankelmütig... Gestern haben wir im Evangelium die Freundschaft mit Jesus betrachtet. Heute ergeht auch an uns die Frage, wie es in unserem Herzen mit der Treue und dem Verrat aussieht.
Selbst ein Petrus, einer der Ersten - man kann sich vorstellen, dass er jemand war, der die Dinge in die Hand genommen hat, der angepackt hat und die Sachen benennen konnte. Er meint es so ernst, er hat hier nicht den Mund zu voll genommen. Er will wirklich mit Jesus gehen und alles geben. Er will alles auf eine Karte setzen. Er lügt hier nicht oder meint es zweideutig. Aber Jesus sagt ihm: du wirst mich dreimal verleugnen. Du wirst an die Grenze kommen. Dass und wie Jesus mit dieser Grenze umgeht, mit Ohnmacht, Herzensenge, Untreue, Scheitern und Verrat, wird uns in den nächsten Tagen begegnen. Nur soviel: Gott ist größer als unser Herz.
Und genau das kommt in dem Wort 'verherrlichen' zum Ausdruck. 'Verherrlichen' gehört zu einem der Schlüsselwörter bei Johannes - im Griechischen: doxa. Wir kennen es vielleicht aus dem großen Lobpreis, der Doxologie, "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist..." - Ehre sei dem Vater... verherrlichen... Wir denken bei Herrlichkeit - von Paulus her kommend - vielleicht zunächst an etwas Großes, Strahlendes, unseren Horizont Übersteigendes. Doch bei Johannes liegt das Verständnis dieser Herrlichkeit näher an dem hebräischen 'kabod'. Kabod bedeutet Gewicht, Gewichtigkeit, Wucht, Wichtigkeit... Wenn also Johannes davon spricht, dass jemand verherrlicht wird, dann bedeutet das für ihn: er wird für seinen Umkreis wichtig. Ja es ist für uns wichtig, es will Gewicht haben in unserem Leben. Gott gibt seinem SOHN dieses Gewicht, diese Bedeutungsschwere. Der verratene und von seinen Henkern ausgelieferte, am Kreuz sterbende Jesus, das ist der für uns wichtige Jesus, der 'verherrlichte Jesus'.
LITURGIE DES KARDIENSTAGS
Laudes | Dienstag der Karwoche
Laudes | Dienstag der Karwoche
Patristische Lesung der Laudes
Mittagsgebet | Dienstag der Karwoche
Mittagsgebet | Dienstag der Karwoche
Ein Gesicht setzt sich uns heute auf geheimnisvolle Weise aus. Unergründlich und verwundbar, am Ende seiner Kräfte und zugleich geehrt und verherrlicht, erfüllt von einer unerklärlichen Gegenwart, die sich unserem Zugriff entzieht und uns zugleich fasziniert und uns unwiderstehlich an sich zieht.
Wenn wir dieses Gesicht betrachten, es geduldig und suchend anschauen, drängt sich uns still eine Frage auf, der wir nicht ausweichen können - fast wie eine brennende Wunde, die uns auf den Leib rückt und von der wir nicht mehr geheilt werden:
Und ihr? Was sagt ihr?
Für wen haltet ihr mich? (Mt 16,15)
Wir ahnen: Diese vier Lieder vom Gottesknecht, die wir in diesen Tagen der Heiligen Woche hören, kommen von weither her zu uns und gehen noch weit über uns hinaus. Eines Tages haben sie sich für immer eingeschrieben in das Angesicht des Vielgeliebten, des eingeborenen Sohnes des Vaters.
Er war so ganz anders, als wir uns den Großen, den Erwählten Gottes vorgestellt hätten. Ihm ging es nicht um die Liebe zur Macht, sondern allein um die Macht der Liebe.
In selbst gewählter, liebender All-Ohnmacht kam er, um zu retten, was verloren ist. Von ihm singen die Lieder:
Er zerbricht nicht das geknickte Rohr und löscht den glimmenden Docht nicht aus (Jes 42,3),
er stärkt die Müden durch ein aufmunterndes Wort (Jes 50,4), er trägt unsere Krankheit und nimmt unsere Schmerzen auf sich (Jes 53,4).
So unglaublich es klingt: unser Gott, Jesus Christus, hat eine Schwäche für die Schwachen.
Ihm ist das Zerbrochene und Gescheiterte, ihm sind die Dunkelheiten unseres Lebens nicht fremd. Er hat sie sich zu eigen gemacht, hat sie an seinem Leib ausgehalten und sich genau darin mit uns für immer verbunden.
Bis zum äußersten Ende, bis an das Ende der Erde und bis zum Äußersten unserer selbst geht seine göttliche Liebe;
bis zum letzten, bis aufs Blut hält er diesen Neuen Bund mit uns durch.
Wir können aus der Welt hinaussterben, aber nicht mehr aus der Gemeinschaft mit ihm.
Die ist stärker als der Tod.
Die umfängt alles mit Heil und Leben.
Das ist der Osterweg des Gottesknechtes.
Auf diesem Weg wird seine Gnade heute noch ihre Kraft auch in unserer Schwachheit erweisen (2Kor 12,9).
Wenn wir mit ihm gehen.
Und zulassen, dass er uns, tatsächlich uns! meint
und so liebt.
Das ist dann unsere Ostergeschichte.