16. Sonntag im Jahreskreis A
Lasst beides wachsen! | Mt 13,30
+ Aus dem Evangelium nach Matthäus (13,24-30)
In jener Zeit 24erzählte Jesus der Menge folgendes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. 26Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. 27Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? 28Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? 29Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. 30Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!
Predigt (Br. Jean-Tristan)
Letzten Sonntag sind wir im Evangelium einem Sämann begegnet.
Einem törichten Sämann, der nicht nur auf guten Boden säte, sondern auch auf den Weg, auf felsigen Boden und in die Dornen.
Denn bis zum Ende hoffte er, dass auch dort die Ernte sehr schön sein könnte.
Im heutigen Evangelium begegnen wir nicht nur einem, sondern zwei Sämännern.
Dem Gutsherrn, der nur guten Samen auf seinen Acker sät.
Und seinem Feind, der im verborgenen Unkraut sät.
Am Anfang sieht das Unkraut dem Weizen ähnlich.
Aber am Ende bringt es kein Korn.
Noch schlimmer, es hindert den Weizen, normal zu wachsen.
Das Unkraut ist so eine schmarotzende und unfruchtbare Pflanze,
das die Ernte des Herrn, sein Gut und seinen Reichtum vermindert.
Was soll man tun, wenn Unkraut im Acker ist?
Das Gleichnis stellt uns zwei Lösungen vor.
Die Knechte sind zwar sehr motiviert, aber machen sich auch viele Illusionen.
Sollen wir gehen und das Unkraut ausreißen? Fragen sie den Gutsherrn.
Oft reagieren wir wie die Knechte des Gleichnisses.
Wir leiden unter dem Unkraut um uns herum.
Wir sehnen uns nach einer bereichernden Arbeit, einer vereinten Familie, einer liebenden und frommen Gemeinschaft, einer reinen Kirche.
Und das ist gut so.
Doch diese Sehnsucht nach einer dringlichen Reinigung kann uns manchmal dazu bringen, alles, was für uns nach Unkraut aussieht, sehr hart zu verurteilen und auszuschließen.
Das springt ins Auge, wenn man die Kommentare der Internetsurfer in den On-Line-Foren unter der Rubrik „sagen sie Ihre Meinung“ liest.
Manchmal ist man entsetzt.
Wie brutal, hart und unbarmherzig kann der Mensch sein, besonders wenn er unter einem „Pseudonym“, anonym verurteilen kann.
Manche Medienkampagne und On-Line-Foren sind echte Steinigungen.
Sollen wir gehen und das Unkraut ausreißen? Fragen die Knechte.
Der Gutsherr erwidert sofort:
Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt.
Lasst beides wachsen bis zur Ernte.
Die Antwort Gottes auf unsere leidenschaftliche Ungeduld ist eine sanfte, aber kühne Geduld.
Die Geduld eines Wartens voller Liebe und Hoffnung.
Es gibt nämlich zwei Arten zu warten.
Das Warten des Polizisten und das Warten des Freundes.
Auch der Polizist kann warten.
Er bleibt passiv an der Mautstelle und wartet auf das geblitzte Auto.
Es kann ihm sowieso nicht entkommen.
Eine oberflächliche Lesung des heutigen Gleichnisses kann vielleicht diesen Eindruck machen.
Der Gutsherr wartete passiv neben seinem Acker bis zur Ernte, die sowieso eines Tages kommen wird.
Und dann wird die große Unterscheidung kommen.
Handelt der Sämann des Gleichnisses so?
Handelt unser Gott, der Gott Jesu Christi, wirklich so?
Was für ein kleiner und engstirniger Gott wäre er.
Angesichts des Unglücks und der Sünde, unter denen die Menschen leiden, kann Gott nicht passiv bleiben.
Er hat uns die Propheten gesandt.
Er hat uns seinen Sohn geschenkt.
Er gibt uns seinen heiligen Geist, der in unserem Leben, in der Kirche, in der Welt heute wirkt.
Lasst beides wachsen bis zur Ernte, ist keine resignierte Kapitulation vor dem Bösen in der Welt bis zum Jüngsten Gericht, sondern die törichte Hoffnung Gottes:
Vielleicht wird sich dieses Unkraut in uns und um uns herum mit der Gnade Gottes in Korn verwandeln.
Du hast deinen Söhnen und Töchtern die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst.
So heißt es in der ersten Lesung.
Dafür brauchen wir Zeit.
Gott weiß es.
Für ihn ist die Zeit kein Feind, sondern ein Verbündeter.
Gott nimmt sich Zeit, weil wir Zeit brauchen.
Gott wartet auf uns mit Geduld und Hoffnung.
Aber sein Warten ist aktiv wie die Liebe.
Gott ist nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg, und er begleitet uns auf diesem Weg.
Er stellt sein Tempo auf unser Tempo ein.
Wie ein Freund mit seinem Freund.
Du richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Schonung;, so die erste Lesung.
Und sie fügt hinzu: durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss.
Mit unserer Ungeduld, mit unseren harten Urteilen sind wir oft überhaupt nicht menschenfreundlich.
Aber Gott ist menschenfreundlich.
Er lädt uns ein, heute in diese Menschenfreundlichkeit einzutreten.
Treten wir ein in die Zeit Gottes.
In die Zeit seiner Geduld, seiner Hoffnung und seiner Barmherzigkeit.
Denn die Gnade Gottes, der Heilige Geist, wirkt heute im Acker der Welt, im Acker der Kirche und im Acker unseres Herzens.
So lassen wir dem Geist Zeit zu wirken.
Er ist stärker als unsere Langsamkeit, aber er braucht Zeit.
Denn wir brauchen Zeit.
Misstrauen wir unserer Ungeduld.
Sie kommt nicht von Gott.
Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden;
er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren, sagt Petrus in seinem zweiten Brief.
Wer weiß, vielleicht wird es zur Zeit der Ernte kein Unkraut mehr geben.
Denn alles kann in Korn verwandelt werden.
Die Scheune des Herrn wird voll sein.
Und nur das Feuer der Liebe Gottes wird uns verzehren. Amen.