2. ADVENTSSONNTAG B

Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! | Mk 1,3

+ Aus dem Evangelium nach Markus (1,1-8)

1Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes:

2Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen.

3Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!

4So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden.

5Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.

6Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.

7Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.

8Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

Predigt (Br. Jean-Tristan)

Heute führt uns Gott in die Wüste.

In der Schrift ist die Wüste von besonderer Bedeutung, und zwar in einem doppelten Sinn.

Einerseits ist sie ein gefährlicher Ort, in der man sterben kann.

Denn in ihr gibt es nichts außer Sonne, Stein und Sand.

Die Wüste ist der Ort des Fluches, des Durstes und des Todes.

Anderseits ist sie der Ort der Begegnung, ja sogar der Verlobung mit Gott.

Darum will ich selbst sie verlocken.

Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben.

So spricht Gott von seinem Volk im Buch Hosea.

Israel ist 40 Jahre in der Wüste geblieben, um bereit zu sein, in das Land der Verheißung einzutreten.

Für diejenigen, die Gott lieben wollen, ist die Wüste der Ort der Vorbereitung des Herzens, in der die Braut sich für das Kommen ihres Bräutigams schmückt.

So ist es auch in der Liturgie.

Das Kirchenjahr enthält zwei wichtige liturgische Momente: Weihnachten und Ostern.

Um uns auf diese zwei Ereignisse vorzubereiten, führt uns die Liturgie jedes Mal in die Wüste.

Das erste Mal am zweiten Adventssonntag mit Johannes,

Das zweite Mal am ersten Fastensonntag mit Jesus, der dort vom Satan in Versuchung geführt worden ist.

Charles de Foucauld hat einmal geschrieben:

„Man muss durch die Wüste gehen und dort verweilen, um die Gnade Gottes zu empfangen;

dort wird man leer, dort wirft man alles von sich, was nicht Gott ist, und dort räumt man das kleine Haus unserer Seele vollständig aus, um Gott allein den ganzen Platz zu überlassen“. Ja „man muss durch die Wüste gehen“. Und heute werden wir von Johannes dem Täufer dazu eingeladen. Er ist jener Rufer, dessen Stimme in der Wüste ertönt:

Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen!

Und der Evangelist Markus fügt hinzu:

Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus.

Ich bin von diesen Adjektiven: „Ganz“ und „alle“ immer wieder sehr berührt.

Natürlich gibt es hier die übliche orientalische Übertreibung, aber trotzdem:

wie faszinierend musste Johannes gewesen sein, dass sich so viele Menschen an diesem ungastlichen Ort versammelt haben.

Jesus hat einmal bezüglich Johannes gefragt: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid?

Die Leute haben erfahren, dass dieser Mann authentisch war.

Er lebte nicht für sich selbst, sondern für die Anderen und für Gott.

Auf sein Wort konnte man sich verlassen.

Gott war mit ihm.

Eine zweite Sache hat die zahlreichen Menschen in die Wüste geführt. Die Last ihrer Sünden.

Sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen, heißt es.

Die Stimme des Johannes hat das Herz dieser Menschen berührt.

Bereitet den Weg des Herrn!

Macht gerade seine Straßen!

Aber in der Wüste hat diese Stimme einen besonderen Klang.

Die Wüste enthüllt das Herz.

Denn in der Wüste kann man sich nicht verstecken.

Die brennende Sonne lässt keinen Schatten.

Alles wird sichtbar, besonders die innere Topographie einer Seele, mit ihren dunklen Tälern oder ihren unüberwindlichen Bergen.

Die Stimme des Täufers hat in diesen Menschen ihre versteckte Sehnsucht nach Gott geweckt.

Und die Nüchternheit der Wüste hat ihnen offenbart, wie krumm und hügelig ihr Weg zu Gott war.

Alle haben ihre Sünde bekannt und sich im Jordan von Johannes taufen lassen, um Gott einen freien Weg für die große und freundliche Begegnung zu bereiten.

Schwestern und Brüder, auch wir „müssen durch die Wüste gehen“.

Um unser Herz für die Begegnung mit Gott vorzubereiten, denn er kommt.

Dafür brauchen wir immer wieder die Stimme des Täufers.

Er lädt uns ein, in die Wüste zu gehen, um dort dem Herrn den Weg zu bereiten.

Aber was bedeutet Wüste für uns heute?

Vielleicht können wir uns mit dem vorigen Zitat von Charles de Foucauld eine Definition heranbilden:

Die Wüste ist jeder Ort oder jede Zeit, in der „man leer wird und alles von sich wirft, was nicht Gott ist, (...) um Gott allein den ganzen Platz zu überlassen.

Gibt es solche „Wüstenzeiten“ in unserem Leben?

Oder fliehen wir vor der Wüste, da sie uns Angst macht?

„Leer werden“ macht Angst, besonders für unsere Zeitgenossen, die sich immer wieder zerstreuen wollen.

Die Stille und die Einsamkeit der Wüste sind beängstigend.

Überall soll man sich einloggen können, sonst fühlt man sich verloren.

Die Wüste ist beängstigend, auch weil sie uns unsere komplizierte innere Topografie offenbaren kann.

Sie kann uns verborgene Täler oder Hügel zeigen, die wir bis jetzt nicht sehen konnten oder wollten.

In die Wüste gehen zu können, kann eine Chance sein.

Denn nur mit dem Erkennen und Bekennen seiner verborgenen Schwächen und Wunden kann der Prozess der inneren Heilung und der Bekehrung anfangen.

Ja Schwestern und Brüder, wir „müssen durch die Wüste gehen“, heute schon.

Die Einladung ist dringend.

Wir müssen schon heute lernen, mit unseren inneren Wüsten umzugehen.

Wir müssen heute schon lernen, in ihnen zu verweilen,

Schon heute lernen, wie man Brunnen gräbt, um Wasser zu finden.

Denn wenn wir das nicht heute lernen, werden wir nicht in der Lage sein, in den äußeren Wüsten, die auf uns zukommen, zu überleben.

Denn spüren wir nicht schon irgendwie einen rauen und heißen Wind, der aus der Wüsste weht?

Den heißen Wind der Klimaerwärmung z.B.?

Wir kennen die Werbung der KVB mit Nomaden in der Wüste.

Im Hintergrund die zwei Spitzen des Kölner Domes, die aus den Dünen hervorgehen.

„Ihr Beitrag zum Klima“ heißt das Motto

Wäre dieses Bild nur eine bloße Fiktion?

Erleben wir nicht mit der heutigen Coronakrise eine Art Sandsturm?

Wir sind vor neun Monaten plötzlich in einer Wüste gelandet, die unsere familiären, gesellschaftlichen, und kirchlichen Beziehungen auflöst.

Wie gehen wir mit dieser sozialen Wüste um?

Ich schließe mit einem Gedicht von Andreas Knapp:

Alle Wege führen in die Wüste

dort verweht der Wind das Äußere

nackt stehst du vor dir selber

fröstelnd in der zugigen Hütte deines Herzens

bewohne deine innere Einöde

werde heimisch in allen Verwerfungen deiner Seelenlandschaft

bleibe bei dir über die Angstschwelle hinaus

lass dich nieder unter des Gebetes Obdach

jetzt bist du nur noch du

finde das Wort für deinen Hunger wieder der dich menschlich macht

folge aus dem Allerlei dem Weg ins Eine

nicht mehr fremdbewohnt sondern zu dir selbst bekehrt

heimgefunden ins Daheimnis

und wenn du wieder auswanderst in des lauten Lebens Lärm

bleibe innen eingesiedelt in IHM

Amen