PROFESSFEIER VON SR. PAMELA

26.09.20 | Fest der kanadischen Märtyrer

Wer an seinem Leben hängt, verliert es... | Joh 12,25

+ Aus dem Evangelium nach Johannes (12,24-26)

Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

25 Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.

26 Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.

Predigt (Weihbischof Ansgar Puff)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Öffne dein ganzes Leben der Liebe, die Gott dir als erster entgegenbringt!“ So beginnt das „Lebensbuch“, die Regel, nach der Sie, liebe Schwester Pamela leben wollen.

Am Anfang steht ein großer Jubel: Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Wir sind von Gott geliebt! Nichts kann uns von dieser Liebe trennen! Diese Liebe überwindet alles!

Bei einem Schulgottesdienst in einer Pfarrei, die in einem sozialen Brennpunkt liegt, habe ich einmal die Kinder gefragt:

Wen liebt Gott am meisten?

Die Braven oder die Bösen?

Die Intelligenten oder die Dummen?

Die Gläubigen oder die Ungläubigen?

Ein Mädchen meldete sich und sagte:

Mich, Du Doof!

Recht hatte sie!

„Öffne dein ganzes Leben dieser Liebe, die Gott dir entgegenbringt!“

Das Offenwerden für die Liebe, die Gott uns entgegenbringt, geschieht durch das Staunen über das kleine Wörtchen: Für mich!

Für mich, und zuerst für mich, ist Gott Mensch geworden, damit ich den unbekannten Gott entdecken kann.

Mich hat Jesus am Kreuz geliebt, als ich böse und verletzend war. Für mich ist Christus aus dem Tod auferstanden, damit ich nicht an meiner Schuld verzweifele.

Um mich kümmert sich Jesus, der jetzt zur Rechten Gottes lebt.

Mir hat er Heiligen Geist gesandt, damit ich nicht länger als Egoist leben muss.

Für mich und zuerst für mich hat Gott die ganze Heilsgeschichte inszeniert.

Wer so staunen kann, öffnet sich der Liebe und weiß: Was sollte uns von dieser Liebe Christi trennen können?

Krankheit oder Bedrängnis, Corona oder Quarantäne, Verfolgung oder Sterben?

Nichts, denn wir können sicher sein: Seine Liebe zu Dir wird nie vergehen!

Der Bund seines Friedens mit dir wird nicht erschüttert werden.

Gott bereut niemals seine Gaben

Und sein Ruf ist unwiderruflich.

Er hat deinen Namen, Pamela, in seine Hände geschrieben!“ (Lebensbuch Nr. 1)

In eurem „Lebensbuch“ heißt es dann weiter:

„Wenn du einmal begriffen hast, dass ER sein ganzes Leben aus Liebe zu dir hingegeben hat, kannst du ihn nur noch lieben, indem du auch ihm dein ganzes Leben überlässt.“

Wir sind eingeladen, die Herausforderung zu einem neuen Lebensstil anzunehmen.

Wie Jesus uns im Evangelium sagt: „Wer sein Leben liebt, verliert es; Wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben!“

Ein seltsames Wortspiel.

Rätselhaft ist dieses Wort Jesu, weil wir es nicht in Griechisch hören. Denn in der Sprache, in der das Neue Testament verfasst wurde, stehen hier zwei unterschiedliche Worte,

die wir beide mit „Leben“ übersetzen: psychä und zoe. Beide bezeichnen einen je anderen Lebensstil: Psychä steht für den auf uns selbst bezogenen, egoistischen Lebensstil.

Zoe benutzt der Evangelist Johannes immer dann, wenn er den Lebensstil Jesu beschreiben will.

So übersetzt heißt der Satz dann:

„Wer seinen selbstbezogenes Lebensstil liebt, verliert das Leben; wer aber seine Selbstbezogenheit gering achtet, bewahrt sein Leben zu einem Ewigen Leben!“

Ewiges Leben ist ein qualitativer Begriff, kein quantitativer Begriff im Sinn von zeitlos.

Gott ist ewig, Gott ist der Ewige!

Ewiges Leben ist der Lebensstil, den Gott lebt.

Gott ist grenzenlos glücklich.

Er gibt sich in der Trinität unbegrenzt in Liebe hin,

er ist barmherzig, gerecht, lebendig.

Ein wenig so glücklich, so liebevoll, so friedfertig, so lebendig wie Gott leben zu können, ist „ewiges Leben“.

So hat Jesus gelebt: für Andere!

Er hat Kranke geheilt, Tote auferweckt, Schuld vergeben und Gottes Barmherzigkeit proklamiert.

Jesus war aus Liebe dem Willen seines himmlischen Vaters gehorsam.

Diese Lebensweise hat ihn in der Tiefe zufrieden und glücklich gemacht.

Dieser Lebensstil macht Sinn, lässt neues Leben entstehen, ist anziehend.

Wir sind eingeladen, unseren Lebensstil zu ändern: unser egoistisches Verhalten sterben zu lassen und uns aus Dankbarkeit für Gottes Liebe ihm und den Menschen hinzugeben.

Diesen neuen Lebensstil, das Ewige Leben, üben wir durch die lectio divina ein, durch ein Leben mit dem Wort Gottes.

Jeden Tag das Wort Gottes in den Mittelpunkt zu stellen, durch das Wort zu entdecken, was IHM wichtig ist,

seinen Willen zu suchen,

sich dem Logos voller Hingabe zu schenken, schafft Erkenntnis Gottes,

schafft eine persönliche und intime Beziehung zu Jesus, führt zum ewigen Leben.

Aber:

Das kostet Mühe und Kraft, der Wechsel unseres Lebensstils ist ein lebenslanger innerer Kampf.

Denn die Haltung, „für mich“ zu leben, ist tief in uns verwurzelt.

Der große Gegner des „ewigen Lebens“ ist das selbstsüchtige Ich, das sich hartnäckig verteidigt:

verschanzt hinter dem Besitz, der Bequemlichkeit und der eigenen Ehre.

Jesus ist aber ganz klar. Wer an seinem Lebensstil „Ich lebe zuerst mal für mich selbst“ hängt, wird ein Verlierer.

Wer aber „Mein Leben für Dich!“ auszuprobieren beginnt, wer Hingabe riskiert, hat Zukunft, sogar noch nach dem Tod.

Es geht also immer wieder um unsere Bekehrung.

In den Sommerferien habe ich entdeckt, dass viele Heilige, z.B. Teresa von Avila, zwei Bekehrungen erlebt haben.

Wer getauft ist, und kein getaufter Heide bleiben will, wird irgendwann in seinem Leben bewusst Ja zu seinem Glauben sagen.

Dieser Sprung in den Glauben ist wie eine erste Bekehrung.

Wir beten, wir besuchen den Gottesdienst, wir engagieren uns für andere und in der Gemeinde, aber irgendwann haben wir Feierabend und bleibt der Herr unserer selbst.

Wir können sehr viel über Gott wissen, uns hauptberuflich mit Gott beschäftigen und andere zum Glauben führen wollen:

aber unser Ich bleibt fest und unerschüttert der Mittelpunkt, um den sich alles dreht.

Bekehrung zeigt sich aber darin, dass ein Mensch nicht mehr sein eigenes Zentrum ist, sondern dass Gott diese Stelle einnimmt.

„Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir“, sagt Paulus im Galaterbrief.

Bekehrung besteht darin, Gott unser Leben zu übergeben.

Gott zu sagen: Herr, ich bin bereit, dir jeden Wunsch zu erfüllen!

Deine Wünsche, Gott, sind jetzt meine Wünsche!

Ich habe keine Eigenwünsche mehr; ich bin ganz für dich verfügbar.

Genau das wirst du, Schwester Pamela in der Profess sagen!

Mit dieser zweiten Bekehrung wird der Heilige Geist ausgegossen.

Wir sehen das bei den Aposteln: Ihre erste Bekehrung geschah in dem Moment, als sie den Ruf Jesu hörten: Folge mir nach!

Da ließen sie alles zurück: Fischerboote, Zollstation, Familie und begleiteten Jesus, drei Jahre lang.

Aber alles blieb irgendwie oberflächlich.

Denn als es an die Existenz ging, im Ölgarten bei der Festnahme Jesu, da dachte jeder nur an sich und rettete seine Haut.

Darum wurde die zweite Bekehrung an Pfingsten nötig:

Der Heilige Geist schenkt den Übergang vom Egoismus zur Hingabe, öffnet Türen und Herzen und die Apostel beginnen, Liebe zu säen!

„Säe Liebe, wo keine Liebe ist, und du wirst Liebe ernten!“

Dieses Zitat von Johannes vom Kreuz steht auch in eurem Lebensbuch. (Nr.6)

Das Bild vom Weizenkorn, das in die Erde gesät wird und stirbt, ist das Bild für deine Berufung, Schwester Pamela, als Schwester von Jerusalem im Herzen der Stadt.

Gott traut dir zu, dass du das Gleiche tun kannst, was Jesus getan hat:

Misstrauen mit Freundschaft zu beantworten,

auf Schuld mit Versöhnung zu reagieren,

Hass mit Liebe zu beantworten.

So wie Jesus zu leben, führt zum Martyrium. Nicht zu der Art Martyrium, wie es die kanadischen Märtyrer erlitten haben, deren Fest wir heute feiern.

Unser Marterpfahl ist nicht aus Holz gemacht, wir sind angebunden an unseren Alltag.

Unser Martyrium besteht nicht darin, dass wir skalpiert werden, sondern darin, dass wir uns verbrauchen lassen.

Aus Liebe von den Menschen und ihren Sorgen abgenutzt zu werden, jeden Tag ein bisschen mehr, darin besteht unser Zeugnis.

Dazu braucht es die gleiche innere Freiheit, wie sie die kanadischen Märtyrer hatten.

Wie sie wissen wir: Christus hat uns zuerst geliebt.

Er ist auferstanden.

Er lebt in uns.

Was kann uns trennen von der Liebe Gottes, die in Christus ist?

Nichts!

Darum kannst Du, Schwester Pamela, jetzt mit Vertrauen sagen:

„Mein Herr und mein Gott:

Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir!“